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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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sich, nahm den Brief und las ihn laut vor.
    »Lieber John,
    lange Abschiede sind ermüdend, und deshalb wird meiner kurz und süß sein.
    Es war mein Herz, nicht wahr? Vergib mir, wenn ich so kleinlich bin und dich darauf hinweise, dass ich es dir immer gesagt habe. Ich hatte schon die ganze Zeit über den Verdacht. Ich bin also an Herzversagen gestorben. Glaubst du mir jetzt endlich? Ich war also doch keine unverbesserliche Hypochonderin!
    Mittlerweile dürftest du außer dir vor Wut sein, weil du erfahren musstest, dass ich mein Testament geändert und dir nichts hinterlassen habe. Ich kenne dich gut, John, und weiß, dass du gerade jetzt fest entschlossen bist, es anzufechten. Vielleicht hast du vor zu behaupten, dass ich nicht mehr zurechnungsfähig oder so schwer krank war, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat. Ich gehe allerdings davon aus, dass du dich, wenn du dies hier zu Ende gelesen hast, eher dazu entschließt, dich still davonzumachen und irgendwo zu verstecken. Eins weiß ich jedenfalls ganz sicher: Du wirst das Testament nicht anfechten.
    Du denkst sicher an all die Ausgaben, die du seit meinem Tod hattest. Ich habe verfügt, dass mein letzter Wille erst sechs Wochen nach meinem Tod verlesen wird, weil ich davon überzeugt bin, dass du eine Menge Geld ausgibst, und ich will dich gern mit deinen hohen Schulden auf dem Trockenen sitzen lassen. Ich wünsche mir außerdem, dass du vor deinen Gläubigern flüchten musst.
    Warum ich dich so grausam behandle? Vergeltung, John. Hast du allen Ernstes geglaubt, ich würde dir auch nur einen Dollar überlassen, damit du ihn für deine Huren ausgibst? O ja, ich weiß über sie Bescheid, über alle, mit denen du es hinter meinem Rücken getrieben hast.
    Schäumst du, Liebling? Mach dich auf noch mehr gefasst! Ich habe mir die schönste Überraschung für den Schluss aufgehoben. Ich war keine ›dumme Kuh‹, wie du immer geglaubt hast.
    Ganz recht – ich habe mitgehört, wenn du mit deinen Nutten telefoniert und mich mit solchen Schimpfnamen bezeichnet hast. Zuerst war ich am Boden zerstört und dermaßen enttäuscht, dass ich eine Woche lang heulte. Dann wurde ich unendlich wütend und beschloss, es dir heimzuzahlen. Ich habe in deinem Arbeitszimmer nach Beweisen für deine Affären gestöbert. Ich war erpicht darauf zu erfahren, wie viel Geld du an deine Schlampen verschleudert hast. Wenn du morgens in dein Büro gefahren bist, hievte ich meinen ›fetten Hintern‹ aus dem Bett und ging hinunter in deine Bibliothek. Es hat ziemlich lange gedauert, aber irgendwann gelang es mir schließlich doch, dein Passwort zu knacken und deine geheimen Dateien zu öffnen.
    O John, ich hatte ja keine Ahnung, wie raffiniert und korrupt ihr seid, du und deine Freunde vom Sowing Club! Was werden die Behörden wohl zu euren illegalen Investitionsgeschäften sagen? Ich habe übrigens jede einzelne Datei ausgedruckt. Und damit du sicher bist, dass dies der Wahrheit entspricht, solltest du schnell nach Hause fahren und die Datei mit dem Namen ›Akquisitionen‹ aufrufen. In Zeile sechzehn habe ich eine kleine Nachricht zwischen den Zahlen deiner Transaktion hinterlassen, damit du weißt, dass ich sie wirklich geöffnet habe.
    Bist du nun besorgt? Oder sogar erschrocken? Ich bin jedenfalls entzückt! Du wirst keinen Penny von meinem Vermögen bekommen. Wie glücklich es mich doch macht zu wissen, dass du nach meinem Tod arm wie eine Kirchenmaus dahinvegetieren musst. Oder du wirst im Gefängnis verrotten! An dem Tag nämlich, wenn du diesen Brief in den Händen hältst, schickt mein Anwalt die Ausdrucke deiner Dateien an jemanden, der etwas damit anzufangen weiß und gewiss das Richtige unternehmen wird, falls du das Testament anfichst.
    Du hättest mich nicht betrügen sollen, John.
    Catherine«

9
    Michelle hatte gerade den Papierkram erledigt, um einen von Dr. Landuskys Patienten zu entlassen, und saß jetzt in dessen kleinem Dienstraum auf der chirurgischen Station des St. Claire Community Hospitals. Sie bemühte sich, genügend Energie aufzubringen, um auch noch die restlichen Krankenberichte zu diktieren. Neun waren schon fertig, und Michelle hatte nur noch zwei vor sich. Zurzeit betreute sie hauptsächlich Landuskys Patienten. Während er eine Reise durch Europa machte, hatte sie in den letzten zwei Wochen seinen Dienst übernommen. Morgen sollte er wiederkommen, und Michelle durfte ihren ersten Urlaub seit langem antreten. Sie konnte sich gar nicht mehr daran erinnern,

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