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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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während Mike Daryls Hand untersucht?«, schlug Cherry Theo vor.
    Daryl schob den Papierstapel in Theos Richtung. »Big Daddy Jake meinte, Sie könnten vielleicht etwas mit diesen Papieren anfangen, weil sie Anwalt sind.«
    Theo erkannte, dass es sich hier offenbar um ein abgekartetes Spiel handelte. Dennoch nickte er und nahm Platz. Michelle wusste ebenfalls, was vor sich ging, aber sie schwieg und untersuchte eingehend Daryls Hand.
    Nachdem sie die Farbe seiner Finger begutachtet hatte, fragte sie: »Wechseln Sie täglich den Verband?«
    »Ja«, antwortete er und richtete den Blick direkt auf Theo. »Cherry verbindet mich immer.«
    »Wir haben noch genug von dem Mull, den sie uns letzte Woche gegeben haben«, sagte Cherry. Sie ließ Theo genauso wenig aus den Augen und knetete nervös die Schürze zwischen den Händen.
    Theo hatte keine Ahnung, was die beiden eigentlich von ihm erwarteten. Michelle beschloss, ihn einzuweihen.
    »Daryl hat für die Zuckermühle der Carson-Brüder gearbeitet.«
    »Nach dem Unfall haben sie mich gehen lassen. Genauer gesagt, sie haben mich rausgeschmissen«, erklärte Daryl und rieb sich das Kinn.
    »Ist der Unfall passiert, während Sie bei der Arbeit waren?«, erkundigte sich Theo.
    »Ja.«
    »Daryl hat zweiundzwanzig Jahre in dieser Mühle gearbeitet«, warf Cherry ein.
    »Das stimmt«, bekräftigte ihr Mann. »Ich habe genau an meinem siebzehnten Geburtstag dort angefangen.«
    Theo rechnete nach und war schockiert, als er begriff, dass Daryl erst neununddreißig oder vierzig Jahre alt war. Der Mann sah mindestens zehn Jahre älter aus. Sein Haar war mit grauen Strähnen durchzogen, er hatte Schwielen an der rechten Hand, und seine Schultern waren stark nach vorn gebeugt.
    »Erzählen Sie mir mehr von dem Unfall.«
    »Bevor oder nachdem Sie sich diese Papiere angesehen haben?«, fragte Daryl.
    »Vorher.«
    »Gut. Ich mache es ganz kurz. Ich hab die Zerkleinerungsmaschine bedient – es ist eine große Maschine, ohne die man in einer Zuckermühle nicht auskommt –, und ich hab Jim Carson gesagt, dass sie nicht richtig funktioniert, dass er sie abstellen und reparieren lassen muss, aber er wollte nichts davon wissen. Er ist sehr hinter dem Geld her, das verstehe ich natürlich, trotzdem wünschte ich, er hätte auf mich gehört. Jedenfalls mache ich meinen Job, und plötzlich reißt der Riemen, und der ganze Dreck fällt auf mich drauf. Er hat mir jeden Knochen in der Hand zerquetscht, stimmt’s, Mike?«
    »So ungefähr«, bestätigte sie.
    Sie stand noch immer neben ihm. Nun zog sie einen Stuhl heran und ließ sich zwischen Daryl und Theo nieder.
    »Haben Sie ihn operiert?«, wollte Theo von Michelle wissen.
    »Nein«, antwortete sie.
    »Dr. Mike hat einen Chirurgen in New Orleans überredet, mich wieder zusammenzuflicken«, sagte Daryl.
    »Und er hat gute Arbeit geleistet, nicht wahr, Daryl?«, fügte Cherry hinzu.
    »Ganz bestimmt! Seinetwegen habe ich all meine Finger behalten. Ich kann sie sogar schon wieder bewegen.«
    »Es ist ein Wunder!«, bekräftigte Cherry.
    »Jim Carson hat mich im Krankenhaus besucht, und es war kein Höflichkeitsbesuch«, erzählte Daryl weiter. »Er behauptete, ich wäre unvorsichtig und achtlos gewesen, ich hätte schließlich gewusst, dass die Maschine nicht richtig funktionierte, und ich hätte sie trotzdem weiterlaufen lassen. Er hat mich einen Faulpelz genannt und auf der Stelle entlassen.«
    »Gibt es in dieser Mühle einen Betriebsrat?«
    »O nein, die Carson-Brüder würden lieber die Mühle schließen, bevor sie so etwas zulassen. Sie beklagen sich ständig, dass sie ohnehin zu wenig Geld verdienen und zu viel Lohn zahlen müssen, und wenn sie auch noch Angestellte hätten, die ihnen Vorschriften machen, dann könnten sie gleich zumachen.«
    »Sie drohen immer damit, in den Ruhestand zu gehen und die Mühle zu schließen, falls ihnen jemand Schwierigkeiten macht«, sagte Cherry. Sie ging zum Spülbecken, um ein Handtuch nass zu machen und dem Kleinen das Gesicht abzuwischen.
    »Haben Sie einen Stift dabei?«, wandte sich Theo an Michelle. »Ich möchte mir ein paar Notizen machen.«
    Sie öffnete ihre Arzttasche und kramte darin. Währenddessen beobachtete das Kind Michelle aufmerksam.
    Theo grinste. »Henry traut Ihnen nicht über den Weg.« Daraufhin blickte der Kleine Theo an und lächelte. Speichel tropfte ihm vom Kinn. Michelle reichte Theo einen Notizblock und einen Stift. Er setzte seine Brille auf und begann zu schreiben.
    »Was

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