Gnade
stellte sie klar. »Und Sie sind nicht nur zum Angeln hergekommen.«
»Sie haben Recht.«
»Also, warum noch?«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht bin ich auf der Suche. Was dagegen?« Es klang beinahe feindselig.
Sie wandte sich zum Spülbecken. »Sagen Sie mir, wonach Sie suchen. Dann helfe ich Ihnen, es zu finden.« Theo ging ohne ein weiteres Wort hinaus. Michelle verstand nicht, wie plötzlich diese Spannung zwischen ihnen entstehen konnte. In einer Minute machten sie Scherze, in der nächsten wurde Theo vollkommen ernst. Oberflächlich betrachtet war er ein gelassener, selbstbewusster und kompetenter Mann. Aber dann … Stille Wasser, dachte sie bei sich. An Theo Buchanan war wirklich mehr bemerkenswert als nur das gute Aussehen.
Sie entschloss sich, den Vorfall nicht allzu ernst zu nehmen. Wenn er ihr erzählen wollte, was in ihm vorging, dann würde er es schon noch tun. Sie würde ihn jedenfalls nicht wie eine Therapeutin mit Fragen löchern.
Es war ein solch schöner, warmer Abend, dass sie an dem schmiedeeisernen Tisch auf der Terrasse essen konnten. Das Gespräch verlief höflich und äußerst oberflächlich, doch das beeinträchtigte Theos Appetit nicht im Geringsten. Er aß wie Michelles Vater mit großem Genuss und ließ nichts übrig.
»Wenn ich so viel essen würde, müsste ich die Türen verbreitern lassen«, sagte Michelle.
Theo lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Es ist so friedlich hier! Vor allem wenn man den Ochsenfröschen und Grillen lauscht.«
Michelle wollte ihm keine Angst einjagen, deshalb verschwieg sie ihm lieber, dass die Laute in der Ferne von Alligatoren stammten. Da sie im Sumpf aufgewachsen war, nahm sie das nur selten zur Kenntnis, allerdings vermutete sie, dass ein Großstadtmensch wie Theo bei der Vorstellung durchdrehen würde.
Theo bestand darauf, den Abwasch zu erledigen. Michelle besaß nämlich keine Spülmaschine. Während er sich mit dem Geschirr beschäftigte, räumte sie die Gewürze weg, dann schnappte sie sich ein Küchentuch, um abzutrocknen.
»Wie kommt’s eigentlich, dass Sie nicht verheiratet sind?«, wollte Theo wissen.
»Für so etwas habe ich keine Zeit.«
»Treffen Sie sich manchmal mit einem Mann?«
»Nein.«
Sehr gut!, dachte er bei sich. Er hatte nicht die Absicht, sich ewig in Bowen aufzuhalten, aber solange er hier war, wollte er nicht, dass ein anderer ihm in die Quere kam. Ich bin wirklich ein selbstsüchtiger Mistkerl!
»Was denken Sie?«, fragte Michelle. »Ihr Gesicht ist so grimmig.«
»Ich überlege gerade, ob die Männer nicht unaufhörlich hinter Ihnen her sind. Ein Blick auf Sie, und jeder Mann würde wissen …«
»Was würde er wissen?«
Er grinste. »Dass Sie etwas zu bieten haben.«
Sie verdrehte die Augen. »Eine wirklich romantische Art, einer Frau Komplimente zu machen.«
»Hey, ich stamme aus Boston, schon vergessen? Männer werden dazu erzogen, ungehobelt zu sein. Gibt es denn Kerle in der Gegend, an denen Sie interessiert sind?«
»Weshalb möchten Sie das wissen?«
»Aus Neugier.«
»Ich denke, Ben Nelson würde gern etwas mit mir anfangen, aber ich ermutige ihn nicht gerade. Ben ist nett, aber die Chemie zwischen uns stimmt nicht. Wissen Sie, was ich meine?«
»Klar! Sie stimmt nicht so wie die Chemie zwischen uns beiden.«
»Wie bitte?«
»Sie haben mich schon verstanden.« Theo reichte Michelle einen Teller zum Abtrocknen, sah, dass noch Seifenschaum darauf war, und spülte ihn noch einmal mit klarem Wasser ab. »Sie wollten mich schon in der Minute, als ich in die Bar von Ihrem Dad marschiert bin, erobern.«
Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, aber Michelle war nicht bereit, das zuzugeben. »Erobern? Ich glaube kaum! Wie kommen Sie bloß auf diese Idee?«
»Ich habe es in Ihren Augen gesehen.«
»Das konnten Sie doch gar nicht.«
»Warum nicht?«
Sie lächelte. »Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, meine Beine zu betrachten.«
Theo war nicht im Mindesten verärgert. »Das stimmt, so schöne Beine bekomme ich nicht alle Tage zu Gesicht.«
»Ich muss gestehen, dass sie bei Männern eine gewisse Faszination auslösen, aber das ist vollkommen normal.«
»Ist das die Einführung zu einem Vortrag über Hormone?«
»Das hängt davon ab, wie lange ich hier noch stehen und darauf warten muss, dass Sie diese Schüssel zu Ende gespült haben. Sie machen wohl nicht oft den Abwasch, was?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Sie brauchen eine Ewigkeit.«
»Ich bin langsam und
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