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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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und drehte den Hahn auf. Als das eiskalte Wasser auf sie niederprasselte, schnitt sie eine Grimasse. Sie drehte rasch den anderen Hahn auf und vertraute auf die besänftigende Wirkung des warmen Wassers.
    Während sie sich das Shampoo aus den Haaren spülte, hatte sie sich bereits in einen Zustand der Empörung hineingesteigert. Mit ihr spielen – das war ja wirklich das Letzte! Als ob ich mich so leicht manipulieren ließe, dachte sie. Sie kämmte sich, bemüht, die Knoten aus ihren Haaren zu entfernen, und schaltete den Föhn ein. Doch ihre Gedanken kehrten immer wieder zu Theo zurück. Möglicherweise war er ein außerordentlich anspruchsvoller Liebhaber. Langsam und umsichtig. »Verdammt!«, flüsterte sie. Bekam sie diese Worte jemals wieder aus dem Kopf? Sie waren wie ein Ohrwurm.
    Michelle putzte sich die Zähne, dann cremte sie ihr Gesicht ein und betrachtete sich im Spiegel. »Gib’s zu«, sagte sie an ihr Spiegelbild gewandt. »Du willst mit ihm schlafen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Nein, das stimmte nicht. Sie wollte Sex mit ihm. Aber was war daran so schlimm? Sie fantasierte ja nur, und Fantasien waren ein vollkommen normaler Vorgang der menschlichen Psyche. Es war jedoch etwas ganz anderes, wenn man Fantasien dann in die Tat umsetzte. Grund Nummer eins: Er wird mir das Herz brechen. »Das hast du doch schon durchgemacht!«, stieß sie ärgerlich hervor.
    O nein, sie hatte nicht vor, sich mit Theo Buchanan einzulassen. Und deshalb zog sie auch nicht eins ihrer kurzen Nachthemden an, die sie für gewöhnlich trug. Sie nahm ihren blauen Seidenpyjama aus der Schublade und knöpfte ihn bis oben hin zu. Der Stehkragen kratzte an der empfindlichen Haut unter dem Kinn. Sie suchte nach den passenden blauen Pantoffeln, entschied sich dann aber dagegen und holte stattdessen ihre alten weißen Frotteepantoffeln unter dem Bett hervor. Sie bürstete sich die Haare aus dem Gesicht, damit sie ihr nicht in die Augen fielen, und tupfte ein wenig farbloses Gloss auf ihre Lippen. Dann durchstöberte sie ihren Schrank und zog ihren schweren weißen Flanellbademantel hervor. Der Saum schleifte auf dem Boden, so lang war er. Er hatte Knöpfe, und Michelle machte jeden einzelnen zu. Dann legte sie den dazugehörigen Gürtel um und machte zwei Knoten hinein. Sie warf einen Blick in den Spiegel. O je, dachte sie, ich sehe aus wie eine Nonne.
    Theo war im Arbeitszimmer. Als Michelle eintrat, hatte er inzwischen das Computer-Equipment ausgepackt, alles angeschlossen und die Geräte eingeschaltet. Er starrte unbewegt auf den Monitor, offenbar las er gerade etwas Interessantes. Dann wandte er den Blick zu Michelle. Er musterte sie über den Rand seiner Hornbrille hinweg, und im Bruchteil einer Sekunde erfasste er jedes Detail – der blaue Pyjama passte perfekt zur Farbe ihrer Augen, das Haar, das ihr über die Schultern flutete, glänzte wie Kupfer in dem sanften Licht, und ihr Gesicht war einfach wunderschön, auch ohne Make-up.
    Sie hatte sich schon fürs Bett hergerichtet – aber dieses Bett stand offenbar in der Antarktis. Michelle war Ärztin, aber sie hatte offenbar keinen Schimmer, wie die Psyche eines Mannes funktionierte. All diese Kleiderschichten regten nur seine Fantasie an und warfen unwillkürlich die Frage auf, was sich wohl darunter befand. Theos Vorstellungskraft arbeitete auf Hochtouren, und er malte sich aus, wie Michelle eine Lage nach der anderen abstreifte, bevor sie unter die Bettdecke schlüpfte. Zum Teufel, denk lieber nicht daran!, warnte er sich selbst. Denk um Himmels willen nicht an die zarte, warme Haut unter all dem Stoff!
    Michelle ging zum Schreibtisch. Sie war verlegen, weil Theo sie so unverhohlen anstarrte, fummelte an dem Knoten in ihrem Gürtel herum und fragte: »Und, was denkst du?« Er antwortete nicht sofort. »Theo?« Er hatte ein eigenartiges Lächeln im Gesicht und betrachtete jetzt ihre Füße. »Was ist los?«
    »Erwartest du heute Nacht einen Schneesturm?«
    Ihre Hand schnellte an ihre Kehle. »Mir war kalt.«
    Er lachte.
    »Wirklich!«, beharrte sie. »Mir wird immer kalt, wenn die Klimaanlage läuft. Ich habe sie eben angestellt, damit du dich auch wohl fühlst.«
    »Aha.«
    Sie kam sich äußerst dämlich vor, weil er ihr die Lüge offensichtlich nicht abkaufte.
    »Niedliche Pantoffeln!«
    »Danke«, gab sie zurück. »Wenn du fertig bist, dich über mich lustig zu machen, könntest du meine Frage beantworten. Also, was hältst du von meinem Computer?«
    »Er ist

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