Gnade
flirtet mit dir, und du bekommst Herzkammerflimmern! Wenn er noch einen einzigen Schritt auf sie zu machte, würde sie tot umfallen. Das hätte doch etwas! Im Pathologiebericht stünde plötzlicher Herzstillstand als Todesursache.
Theo kam noch näher und blieb schließlich stehen. Mit den Fingerspitzen strich er sanft über Michelles Wange, dann hob er ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Sie war verlegen und unsicher, bis sie das Lachen in seinen Augen sah.
»Also, was denkst du?«, fragte er.
Als ob er das nicht wüsste! »Dass Sie … du mich verrückt machst! Theo, du solltest wissen …«
»Was?«, fragte er leise. Seine Hand wanderte zu ihrem Nacken – die Berührung war zärtlich und warm.
»Was meinst du?«
»Du hast gesagt, ich müsste etwas wissen.«
Nun streichelte er ihren Nacken. Sie bekam eine Gänsehaut.
»Ach so, ja.« Sie nickte. »Nein, ich meine …« Atme tief durch und setz deinen Verstand ein!, befahl sie sich. »Okay, es ist so: Ich bin nicht geschaffen für eine flüchtige Affäre. Bevor ich mit einem Mann ins Bett gehe, muss es eine … solide Basis geben. Ich glaube nicht an Sex als Freizeitgestaltung.« Sie zwang sich zu einem Lächeln, weil sie hoffte, dadurch die Atmosphäre zu lockern, und fügte hinzu: »Ich bin in der Beziehung ein Fossil.«
»Habe ich schon erwähnt, dass ich Fossilien mag?«
Das war zu viel für sie.
Theos Finger spielten mit ihrem Haar im Nacken. »Dein Haar ist so weich«, flüsterte er. »Und es hat die Farbe von loderndem Feuer.«
»Ich habe die Haare und die Sommersprossen von meiner Mutter«, erwiderte Michelle, um wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen.
»Habe ich eigentlich auch schon erwähnt, dass ich Frauen mit Sommersprossen mag? Ich verspüre immer den überwältigenden Drang, jede einzelne zu küssen.«
»Ich habe am ganzen Körper Sommersprossen.«
»Dazu kommen wir noch.«
Wieder drehte sich alles. »Das glaube ich nicht.«
»Wir werden ja sehen.«
Er war ganz schön selbstgefällig. An diesem charakterlichen Makel musste er wirklich arbeiten, und das würde sie ihm auch ausdrücklich empfehlen, sobald sie wieder einen klaren Kopf hatte. Im Augenblick hatte sie zu viel damit zu tun, aufrecht stehen zu bleiben. Dieser Mann erregte sie mit der kleinsten Berührung, jeder Nerv in ihrem Körper reagierte auf ihn.
Als Michelle klar wurde, dass sie sich am liebsten auf der Stelle die Kleider vom Leib gerissen hätte, wich sie zurück und schob vorsichtig seinen Arm weg. Ihre Beine fühlten sich an wie Gelee, aber es gelang ihr, sich umzudrehen und in ihr Schlafzimmer zu gehen. Bevor sie die Tür hinter sich schloss, beging sie den Fehler, Theo noch einmal anzusehen.
Sie wollte ihn nicht wissen lassen, welche Macht seine Berührung auf sie ausgeübt hatte. Der Kerl brauchte dringend eine Lektion. Es ging nicht immer nach seinem Willen.
»Wenn du mit mir spielen willst, musst du auch die Konsequenzen tragen«, sagte sie. »Du kannst nach mir eine kalte Dusche nehmen.« Wie aufschlussreich war das? Zu spät begriff sie, dass sie sich verraten hatte. »Ich nehme eine kalte Dusche, weil mir heiß ist«, erklärte sie, merkte aber sofort, dass diese Erklärung alles nur noch schlimmer machte.
»Michelle?«, rief er leise.
»Ja?«
»Ich habe noch gar nicht angefangen, mit dir zu spielen.«
Sie schloss die Tür und sank erschöpft gegen das Holz. »Der Mann macht mich verrückt!«, flüsterte sie.
18
Michelle zählte im Stillen all die Gründe auf, warum sie sich nicht mit Theo einlassen durfte. Sie war bei Nummer zwanzig angelangt, als er an die Tür des Badezimmers klopfte.
»Ich bin noch nicht fertig.«
»Ich wollte nur fragen, ob es dir recht ist, wenn ich deinen Computer für dich anschließe.«
»Hast du ihn gefunden?«
Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte hinaus, wobei sie ihren Morgenrock über der Brust zuhielt.
»Er war ja kaum zu übersehen. Als ich meine Klamotten in das Bad mit der Waschmaschine gebracht habe, bin ich über eine der Kisten gestolpert. Soll ich ihn anschließen oder nicht?«
»Ja, bitte, das wäre nett«, sagte sie.
Sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu und fing noch einmal von vorn an, die Argumente gegen eine Liaison mit Theo aufzuzählen. Bei Nummer dreiundzwanzig – sie müsste extra das Bett frisch beziehen – wurde ihr klar, dass sie der Verzweiflung sehr nahe war, und sie besann sich auf Grund eins: Der Mann würde ihr das Herz brechen.
Sie stieg in die Dusche
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