Gnade
verliert.«
»Wie bitte?«
Der Bote lächelte. »Eddie ist neu in unserer Firma, und er hat riesigen Mist gebaut«, sagte er. »Mein Name ist übrigens Frank.« Er streckte ihr die Hand hin. Seine Handfläche war feucht und sein Griff schlaff.
»Was hat Ihr Freund denn angestellt?«, wollte sie wissen.
»Er hat zwei Sendungen an die falschen Adressen geliefert«, sagte er. »Aber er braucht diesen Job unbedingt, weil seine Frau schwanger ist. Eddie ist erst neunzehn«, fügte er hinzu. »Und ich fühle mich für ihn verantwortlich, weil ich ihn eingearbeitet habe. Ich nutze meinen freien Tag dazu, die Sache in Ordnung zu bringen, bevor der Boss Wind davon bekommt.«
»Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte sie. »Und wie kann ich helfen?«
»Eddie hat am Montag einen Umschlag von einer Anwaltskanzlei in New Orleans abgeholt, und er hätte das Adressetikett sofort aufkleben müssen, aber das hat er nicht getan. Er hat beides einfach auf die Ladefläche des Lieferwagens geworfen. Aber er hatte zuvor schon ein anderes Kuvert von Beizer Lab abgeholt und auch darauf noch kein Etikett geklebt. Kurzum, er hat die Adressen verwechselt. Ich bin auch nur dahinter gekommen, weil die Sekretärin des Empfängers – auch eine Anwaltskanzlei – anrief, um Bescheid zu sagen, dass sie eine falsche Lieferung bekommen hat. Sie machte den Umschlag auf und fand Werbematerial für ein neues Medikament darin. Zum Glück für Eddie war ich zufällig am Telefon. Wenn unsere Telefonistin dem Boss von der Verwechslung erzählt hätte … Ich darf gar nicht daran denken, was dann passiert wäre. Speedy Messenger rühmt sich, schnell und zuverlässig zu sein, und ich schwöre Ihnen, dass dies die erste Verwechslung ist, seit wir vor drei Jahren angefangen haben. Wie auch immer«, fuhr er fort und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, »ich hatte gehofft, Sie könnten mir den Umschlag geben, den Sie aus Versehen erhalten haben. Ich bringe ihn dann zu der Anwaltskanzlei.«
Michelle schüttelte den Kopf. »Ich würde Ihnen gern weiterhelfen, aber ich erinnere mich nicht, irgendetwas in Empfang genommen zu haben. Wann und wohin wurde das Kuvert denn geliefert?«
»Eddie hat es ins Krankenhaus in St. Claire gebracht.«
Michelle bemerkte, dass seine Hände zitterten, als er in seinem Notizbuch blätterte. Er war nervös und konnte ihr nicht in die Augen sehen. Das kam ihr komisch vor, aber dann gelangte sie zu dem Schluss, dass ihm der Fehler, den sein Kollege gemacht hatte, wahrscheinlich peinlich war.
»Ich war schon dort, weil ich Sie gesucht habe, und eine der Schwestern war so nett, in den Dienstplan zu schauen. Sie sagte, es hätte am späten Montagnachmittag einen Unfall gegeben und Sie seien im OP gewesen, als Eddie den Umschlag lieferte.«
»O ja, ich erinnere mich an den Unfall. Ich war gerade in der chirurgischen Station und wollte die Krankenberichte diktieren und anschließend nach Hause gehen. Aber dann kam eine der Schwestern und sagte mir, es sei etwas für mich abgegeben worden. Ich erinnere mich jedoch nicht, etwas bekommen zu haben.«
»Vielleicht hilft es Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge, wenn ich Ihnen sage, dass Sie den Empfang persönlich bestätigt haben.«
»Das soll ich getan haben?« Sie entsann sich beim besten Willen nicht mehr.
Sein Ton wurde ein wenig ungehalten. »Ja, Doktor, Sie haben unterschrieben. Wir behalten immer eine Kopie der Quittung im Büro und schicken das Original an den Absender, Und Ihre Unterschrift ist ganz deutlich lesbar«, setzte er hinzu, wobei er sich kaum Mühe gab, seinen Ärger länger zu verbergen.
»Es wird Ihnen nicht viel nutzen, wenn Sie böse werden«, stellte sie fest. »Und wenn Sie meine Unterschrift lesen konnten, dann habe ich die Empfangsbestätigung definitiv nicht unterzeichnet. Kein Mensch kann meine Schrift lesen. Aber Moment, langsam dämmert’s mir«, sagte sie. »Ja, natürlich! Die Sekretärin in der Notaufnahme hat in meinem Namen unterschrieben. Sie hat die Befugnis, für die Ärzte etwas anzunehmen.«
Michelle versuchte, sich den Montag ins Gedächtnis zu rufen. Sie war sehr müde gewesen, weil sie in der Nacht zuvor kaum geschlafen hatte. »Genau, ich habe meine Arbeit unterbrochen und bin hinuntergegangen, um den Umschlag abzuholen.«
Der Mann warf einen hastigen Blick über die Schulter auf das Footballteam.
»Und dann kamen die Sanitäter mit den Verletzten«, fuhr Michelle fort. Sie zuckte mit den Schultern. »Ich musste in den
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