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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sie hatten letztes Jahr auf Long Island einen Fall, bei dem ein Fünfzehnjähriger den Polizeifunk abhörte und dann immer zu den liegengebliebenen Autos fuhr. Sie schnappten ihn schließlich, als er eine Frau erstach, die ebenfalls um Hilfe gefunkt hatte.« »Ich behaupte trotzdem, daß zwischen diesen vier Fällen eine Verbindung besteht und daß Nina Petersons Mord mit diesen hier zusammenhängt«, sagte Bob. »Nenn es ein intuitives Gefühl; nenn es, sich an einen Strohhalm klammern. Nenn es, wie du willst.
    Aber hilf mir.«
    »Ich will dir ja helfen. Wie gehen wir also vor?«
    »Wir beginnen mit einer Aufstellung: Ort, Zeit, Todesursache, Mordwaffe, Wetterverhältnisse, Art des Wagens, Familienhintergrund; Zeugenaussagen, wohin die Opfer unterwegs waren, wo sie selbst an dem betreffenden Abend gewesen sind. Bei den beiden letzten Fällen werden wir die Zeit ausrechnen, die zwischen dem Hilferuf und dem Auffinden der Leiche lag. Wenn wir das alles haben, vergleichen wir es mit den Umständen von Mrs.
    Petersons Tod. Wenn das nichts bringt, fangen wir von einer anderen Ecke aus neu an.«
    Um zehn nach acht Uhr abends begannen sie mit ihrer Arbeit. Um Mitternacht kam Marge mit den vier Niederschriften herein. »Alles fertig«, sagte sie. »Ich habe sie mit Dreierabstand geschrieben, damit eventuelle Abweichungen bei den einzelnen Versionen leichter ins Auge fallen. Wissen Sie, diesem Jungen zuzuhören, bricht einem fast das Herz. Seit zwanzig Jahren arbeite ich jetzt als Gerichtsstenographin, und ich hab’ so allerhand gehört; aber wenn einer die Wahrheit sagt, höre ich das sofort, und dieser Junge sagt die Wahrheit.« Bob lächelte müde. »Ich wünschte, Sie wären die Gouverneurin, Marge«, sagte er. »Haben Sie vielen Dank.« »Wie kommt ihr beide voran?« Kathy schüttelte den Kopf. »Nichts. Absolut nichts.«
    »Nun, vielleicht geht aus diesen Niederschriften etwas hervor. Ich geh’ mal etwas Kaffee holen. Wetten, daß keiner von euch zu Abend gegessen hat.«
    Als sie zehn Minuten später zurückkam, saßen Bob und Kathy jeweils vor zwei Papierstapeln. Bob las laut vor, und sie verglichen Zeile für Zeile. Marge stellte den Kaffee ab und verließ lautlos das Büro. Ein Wachmann ließ sie aus dem Gebäude. Während sie sich in ihren warmen Wintermantel kuschelte und sich für den Weg über den zugigen Parkplatz rüstete, merkte sie, daß sie betete. »Bitte, Gott, wenn es etwas gibt, was diesem Jungen hilft, dann laß es die beiden da oben finden.« Bob und Kathy arbeiteten bis zum Morgengrauen.
    Dann sagte sie: »Wir müssen aufhören. Ich muß heim und mich duschen und umziehen. Um acht Uhr muß ich im Gericht sein. Und außerdem möchte ich nicht, daß dich hier jemand sieht.« Bob nickte. Allmählich ergaben die Worte, die er las, keinen Sinn mehr. Immer und immer wieder hatten sie die vier Versionen von Rons Bericht über den Mordtag miteinander verglichen. Sie hatten sich besonders auf den Zeitraum konzentriert, der zwischen Rons kurzem Gespräch mit Nina Peterson in Timberlys Geschäft lag und dem Augenblick, als er von panischem Schrecken gepackt aus Petersons Haus stürzte. Es gab nicht die geringste relevante Abweichung, die sie hätten aufgreifen können. »Es muß etwas geben«, sagte Bob hartnäckig. »Ich nehme die Niederschriften mit nach Hause… Und gib mir die Listen, die wir von den anderen vier Fällen gemacht haben.« »Die Akten kannst du aber nicht mitnehmen.«
    »Das weiß ich. Aber vielleicht haben wir einen Faktor beim Vergleichen der Fälle vergessen.« »Haben wir nicht, Bob«, sagte Kathy mit sanfter Stimme. Er erhob sich. »Ich gehe jetzt sofort in mein Büro und fange von vorne an. Ich will dies hier mit den Verhandlungsprotokollen vergleichen.«
    Kathy half ihm, die Papiere in seiner Aktentasche zu verstauen. »Vergiß den Recorder und die Kassetten nicht«, sagte sie. »Tu ich schon nicht.« Er legte den Arm um sie. Einen Augenblick lang lehnte sie sich an ihn. »Ich liebe dich, Kath.«
    »Ich liebe dich.«
    »Wenn wir nur mehr Zeit hätten«, sagte er heftig. »Es ist diese verdammte Todesstrafe. Wie zum Teufel konnten zwölf Leute einfach hergehen und sagen, dieser Junge muß sterben.

    Sobald sie - wenn es überhaupt dazu kommt - den wirklichen Mörder haben werden, ist es für Ron zu spät.
    Kathy strich sich über die Stirn. »Anfangs war ich froh, daß die Todesstrafe wieder eingesetzt wurde. Ich bedaure die Opfer wesentlich mehr als die Verbrecher. Aber gestern

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