Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
müde aus. Still ging sie in die Küche und machte Kaffee.

    Um halb sieben Uhr sprach Hugh mit dem FBI-Hauptquartier in New York. Es lagen keine neuen Anhaltspunkte vor. Henry White war mit einem Nachtflug nach Sun Valley geflogen.
    Sie hatten ihn am dortigen Flugplatz nicht mehr erreicht. Er war in einem Privatwagen weitergefahren. Man überprüfte jetzt Motels und Ferienapartments. Die Suchmeldung nach dem Pontiac war ergebnislos geblieben. Die Überprüfung der Stammgäste der Alten Mühle war noch nicht abgeschlossen.
    Um 7.30 Uhr schoß Bob Kurners Wagen in die Driftwood Lane und fuhr bei Peterson vor.
    Bob läutete Sturm, marschierte wortlos an Dora vorbei und verlangte Auskunft, warum Ronald wegen des Reservereifens befragt wurde. Hugh warf Steve einen Blick zu. Steve nickte. Hugh erläuterte die Lage in knappen Worten.
    Bob erbleichte. »Wollen Sie damit sagen, daß Ihr Sohn und Sharon Martin entführt wurden, Mr. Peterson, und daß Sie die Sache verschwiegen haben?« fragte er. »Wenn die Gouverneurin das erfährt, muß sie die Hinrichtung verschieben. Sie hat gar keine andere Wahl.«
    »Rechnen Sie nicht zu fest damit«, warnte Hugh. »Mr. Peterson, es tut mir leid für Sie, aber Sie hatten kein Recht, mir dies gestern abend zu verheimlichen«, sagte Bob vorwurfsvoll.
    »Mein Gott, können wir den Generalstaatsanwalt nicht schon vor acht Uhr erreichen?« »Es sind nur noch zwanzig Minuten.«
    »Zwanzig Minuten sind eine Menge Zeit, wenn man nur noch drei Stunden und fünfzig Minuten zu leben hat.«
    Punkt acht Uhr hatten sie den Generalstaatsanwalt am Apparat. Hugh sprach fünfunddreißig Minuten mit ihm; er sprach eindringlich, versuchte zu überzeugen, verlegte sich aufs Bitten.
    »Ja, Sir, ich weiß, daß die Gouverneurin bereits zwei Aufschübe gewährt hat… Ich weiß, daß das Oberste Bundesgericht von Connecticut das Urteil bestätigte… Nein, Sir, wir haben keinen Beweis… allerdings auch mehr als reine Spekulation, die Kassette… Ja, Sir, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie die Gouverneurin anrufen würden… Gut, ich bleibe dran.«
    Er deckte die Hand über die Sprechmuschel. »Er ruft sie jetzt an, aber ich sage Ihnen gleich, er wird ihr keine Aussetzung der Urteilsvollstreckung empfehlen.«
    Drei schier endlose Minuten verstrichen. Dann sagte Hugh: »Ja, ich höre… Aber…«
    Er protestierte noch, als Steve bereits das unmißverständliche Tuten des Freizeichens hörte.
    Hugh ließ den Hörer sinken. »Die Hinrichtung findet statt«, sagte er tonlos.
37
    Es war schwer, die Gedanken beisammenzuhalten, wenn der Schmerz durch ihren Körper schoß. Wenn sie nur den Reißverschluß ihrer Stiefel öffnen könnte. Ihr Knöchel fühlte sich an wie heißer Zement, der gegen den Stiefel und die straff gebundene Schnur drückte.
    Hätte sie sich nur ein Herz gefaßt und einfach geschrien, als er sie durch den Bahnhof führte. Zu dem Zeitpunkt wäre das Risiko vielleicht gar nicht so groß gewesen. Wie spät war es jetzt? Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Montagnacht? Dienstag? War es noch Dienstag oder schon Mittwoch?
    Wie kamen sie bloß hier heraus?
    Sie hörte Neils heiseres Atmen neben sich. Er versuchte, langsam zu atmen, wollte ihr gehorchen. Sie merkte, daß sie stöhnte und versuchte vergeblich, ihre Schmerzlaute zu unterdrücken.
    Neil rückte dichter an sie heran, um sie zu trösten. Neil würde Steve eines Tages sehr ähnlich werden. Wenn er dann noch lebte…
    Wie würde ein Leben mit Steve aussehen, mit ihm und mit Neil? Steve, der so viel durchgemacht hatte…

    Für sie war immer alles so einfach gewesen. Ihr Vater pflegte zu sagen: »Sharon wurde in Rom geboren, Pat in Ägypten, Tina in Hongkong…« Und ihre Mutter stimmte zu: »Wir haben auf der ganzen Welt Freunde…« Selbst wenn sie erführen, daß Sharon tot war, wären immer noch die anderen da. Wenn Steve Neil verlor, hätte er niemand mehr…
    Steve hatte sie gefragt: »Wie kommt es, daß du noch ledig bist?« Und sie hatte geantwortet, daß sie die Verantwortung scheute, jemand zu lieben.
    Und Neil, der so Angst hatte, daß ihn die Lufts mitnehmen würden und daß sie ihm Steve wegnehmen würde. Sie mußte ihn hier herausbekommen.
    Wieder versuchte sie, ihre Handfesseln an der Wand aus Schlackensteinen zu reiben. Aber die Schnüre saßen so fest und schnitten so tief in ihre Handgelenke ein, daß sie sie nicht mit der Mauer in Berührung bringen konnte.
    Sie versuchte zu denken. Ihre einzige Hoffnung war, Neil zu

Weitere Kostenlose Bücher