Gnadenfrist
schlängelte. Nur wenige Fahrzeuge waren unterwegs. Die meisten Leute lagen jetzt im Bett, hatten ihre Frauen in erreichbarer Nähe, konnten ihre Kinder zudecken und darauf achten, daß keiner Zug bekam. Befanden sich Neil und Sharon an einem zugigen Ort?
Warum denke ich jetzt an so etwas, fragte er sich. Undeutlich erinnerte er sich, gelesen zu haben, daß sich die Menschen den kleinen Problemen zuwandten, wenn sie mit den großen nicht mehr zu Rande kamen. Waren Sharon und Neil noch am Leben? Darüber sollte er sich Gedanken machen. O Herr, verschone sie, sei ihnen gnädig…
»Was halten Sie von dem Pontiac?« fragte er Hugh. »Wahrscheinlich wurde Whites Auto dort, wo er ihn abgestellt hat, gestohlen«, antwortete Hugh.
»Was tun wir als nächstes?« »Wir warten.«
»Worauf?«
»Vielleicht läßt er sie frei. Er hat es versprochen, und das Geld hat er jetzt.«
»Er hat seine Spuren so sorgfältig verwischt, hat an alles gedacht. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß er zwei Menschen freiläßt, die ihn identifizieren können, oder?«
»Nein«, gestand Hugh.
»Aber können wir wirklich nichts tun?«
»Wenn er sein Versprechen nicht hält und sie nicht freiläßt, müssen wir darüber nachdenken, ob wir an die Öffentlichkeit gehen und die Medien heranziehen. Vielleicht hat jemand etwas gesehen oder gehört.«
»Was geschieht mit Ronald Thompson?« »Warum fragen Sie?«
»Nehmen Sie mal an, er sagte die Wahrheit und wir stellen das erst nach 11 .3o Uhr fest.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich frage mich, ob wir das Recht haben, die Entführung von Neil und Sharon geheimzuhalten?«
»Ich glaube nicht, daß die Entscheidung der Gouverneurin, was Thompson betrifft, dadurch beeinflußt wird. Es gibt absolut keinen Beweis, daß es sich hier um eine Geiselnahme handelt; und sollte sie etwas Derartiges vermuten, ist sie vielleicht noch mehr daran interessiert, die Hinrichtung hinter sich zu bringen. Sie wurde bereits für die zwei Aufschübe, die sie Thompson gewährt hat, heftig kritisiert. Die Jungen in Georgia saßen auf die Sekunde pünktlich auf dem elektrischen Stuhl. Außerdem kann es immer noch eine ganz simple Erklärung geben, wie Foxy zu einem Tonband oder einer Kassette mit der Stimme Ihrer Frau gekommen ist - eine Erklärung, die nichts mit ihrem Tod zu tun hat.«
Steve starrte geradeaus. Sie fuhren durch Greenwich. Während der Ferien waren er und Sharon in Brad Robertsons Haus in Greenwich auf einer Party gewesen. Sharon trug einen schwarzen Samtrock und eine bestickte Jacke dazu. Sie sah wundervoll aus. Brad sagte zu ihm: »Steve, wenn du nur einen Funken Verstand hast, dann klinkst du bei dem Mädchen ein.«
»Könnte der Entführer durchdrehen, wenn die Sache an die Öffentlichkeit kommt?« Steve kannte die Antwort; trotzdem mußte er die Frage stellen.
»Ich nehme es an.« Hughs Tonfall änderte sich, wurde schärfer.
»Was haben Sie auf dem Herzen, Mr. Peterson?«
Das war die Frage, direkt, ohne Umschweife gestellt. Steve fühlte, wie sein Mund trocken wurde. Es ist nur so eine Idee, sagte er sich, wahrscheinlich ganz unwichtig. Wenn ich damit anfange, kann ich den Lauf der Dinge nicht mehr aufhalten. Es könnte Neil und Sharon das Leben kosten…
Düster und unglücklich schwieg er, zögerte wie ein Taucher vor dem Sprung in die unkontrollierbare Strömung. Er dachte an Ronald Thompson, wie er ihn während des Prozesses angesehen hatte, an sein junges Gesicht, in dem die Angst, aber auch die Entschlossenheit standen. »Ich habe es nicht getan. Sie war tot, als ich ankam. Fragen Sie den Jungen…«
»Wie wäre Ihnen zumute, wenn es Ihr einziges Kind wäre?«
Es ist mein einziges Kind, Mrs. Thompson, dachte er. Er begann zu sprechen. »Hugh, erinnern Sie sich, was Bob Kurner sagte? Er glaubt, es gibt einen Zusammenhang zwischen den Morden an den vier Frauen und dem Mord an Nina.«
»Ich habe es gehört, und ich habe Ihnen gesagt, was ich davon halte. Er greift nach Strohhalmen.« »Angenommen, ich würde Ihnen sagen, daß Kurner recht haben könnte, daß da eine Verbindung zwischen Ninas Tod und dem der anderen Frauen bestehen kann?« »Was reden Sie da?«
»Erinnern Sie sich, daß Kurner sagte, das einzige, was er nicht verstünde, sei die Tatsache, daß die anderen Frauen Autopannen hatten und Nina nicht; daß sie zu Hause erwürgt wurde und nicht irgendwo auf der Straße?«
»Weiter.«
»Am Abend, bevor Nina ermordet wurde, hatte sie eine Reifenpanne. Ich hatte bis
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