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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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eingestuft, der sich an feste Dienstzeiten hielt und zum frühestmöglichen Zeitpunkt verschwand. Ich hatte mir vorgestellt, daß er seinen Schreibern kurz zunickte und sich, bewaffnet mit Ölflasche und Schabeisen, davonmachte, sowie in den Thermen das erste Holz in die Öfen geworfen wurde. Ich dachte, er würde die Arbeit hinter sich lassen und sich ganz dem Essen und der Entspannung widmen.
    Aber er saß allein im Büro, brütete dumpf vor sich hin und starrte auf die Dokumente vor sich. Auf unser Eintreten reagierte er kaum. Als ich ihm sagte, es hätte Ärger gegeben, öffnete er einen Fensterladen, wie um Licht auf das Problem zu werfen. Für einen kurzen Augenblick wirkte er wie ein Mann, der sich den Dingen tatsächlich stellte.
    Gaius Baebius wiederholte seine Geschichte, angetrieben von mir, wenn er sich zu sehr verzettelte. Rubella blieb gelassen. Er schlug auch nicht vor, etwas zu unternehmen, bemerkte nur, daß er der Familie ein Beileidsschreiben schicken würde. Vielleicht wollte er erst mal über alles nachgrübeln – oder er ließ den Dingen einfach ihren Lauf, ohne sich groß einzumischen.
    »Haben Sie eine Ahnung, wo Petronius Longus steckt, Falco?«
    Ich hatte mehr als eine Ahnung, zog es aber vor, das für mich zu behalten. »Er wollte noch eine Befragung durchführen. Ich weiß, wo ich ihn finden kann.«
    »Gut.« Das war wieder der Sonnenblumenkernesser, neutral und distanziert. »Dann überlasse ich es Ihnen, ihn zu informieren.« Vielen Dank, Tribun!
    Wir verabschiedeten uns. Draußen gelang es mir mit einiger Mühe, meinen Schwager loszuwerden, der sich einem am liebsten dann an die Fersen heftete, wenn er nicht erwünscht war. Durch die dunkler werdenden Straßen wanderte ich grübelnd vom Zwölften Bezirk, wo die Vierte ihr Hauptquartier hatte, den Hügel hinunter zum Circus. Ich hörte die Möwen über den Kaianlagen am Tiber kreischen. Sie mußten ständig dort sein, aber heute fielen sie mir besonders unangenehm auf. Es war nicht der Zeitpunkt, ans Meer erinnert zu werden.
    Um mich herum schien es von Leuten zu wimmeln, die gutgelaunt zum Festmahl eilten. Häßliche Frauen mit Pferdegesichtern kreischten. Ungehaltene Männer beschimpften ihre Sklaven und trieben sie zur Eile an. Alle Ladenbesitzer schauten feindselig und mißgünstig. Alle Vorübergehenden wirkten wie potentielle Diebe.
    Ein duckmäuserischer Pförtner ließ mich in Milvias elegantes Haus ein. Es hieß, Florius sei immer noch nicht zurückgekehrt. Niemand schien beunruhigt darüber, obwohl ehrbare Familienväter normalerweise am Abend nach Hause kamen. Falls er zum Essen eingeladen war, hätte er wenigstens seine Tunika wechseln müssen – und manche Ehefrau würde erwarten, mitgenommen zu werden. Es wußte auch niemand genau, wann mit seiner Rückkehr zu rechnen war. Das schien normal zu sein. Müde fragte ich, ob heute abend ein Offizier der Vigiles hiergewesen sei, worauf man mir sagte, er habe sich zu einem Gespräch mit Milvia zurückgezogen.
    Wie ich befürchtet hatte. Ein weiterer ehrbarer Familienvater, der wider den Stachel löckte. Petronius Longus konnte sich wie ein richtiger Salonlöwe aufführen.
    Wieder wurde ich in den Salon mit den dünnbeinigen ägyptischen Möbeln geführt. Außer mir war niemand dort. Das Haus wirkte so ruhig, als täte sich nicht viel. Während der ganzen Zeit, die ich dort war, tauchte Milvia, die junge Herrin des Hauses, nicht auf.
    Ich wartete. Nach ein paar Minuten kam Petronius herein. Er trug die grüne Tunika, die ich zum letzten Mal an ihm gesehen hatte, als Silvia und er zum Essen bei uns waren. Er hatte gebadet und sich umgezogen, sich aber nicht mit irgendwelchen wohlriechenden Düften gesalbt. Ich mochte mich getäuscht haben; hier war kaum der lässige Verführer am Werk. Er sah völlig normal aus – ruhig, gelassen, ein Mann, der die Situation im Griff hatte. Mein plötzliches Auftauchen hatte ihn vorgewarnt. Wir waren so gute Freunde, daß er sofort mehr erriet als ich beim Anblick von Gaius Baebius.
    Aber ich würde es ihm trotzdem erzählen müssen.
    »Was ist los, Falco?« fragte Petro mit gepreßter, ein wenig hoher Stimme.
    »Es wird dir nicht gefallen.«
    »Kann es denn noch schlimmer kommen?«
    »Sehr viel schlimmer. Sag mal, tragen alle Mitglieder der Vigiles Erkennungsmarken?«
    Er sah mich verwundert an und zog dann aus dem Beutel an seinem Gürtel eine kleine Knochenscheibe, genau wie die aus Ostia. Er reichte sie mir. Auf der einen Seite stand wieder

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