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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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trinken wollen.)
    In der Wohnung herrschte eine angespannte Atmosphäre. Junia hatte das Müllbaby auf ihren knochigen Knien; Helena erzählte ihr seine Geschichte, eine höfliche Art, die Zeit zu füllen. Gaius Baebius, der steif aufgerichtet mit überheblichem Gesichtsausdruck da saß, trug eine Toga. All seiner Förmlichkeit zum Trotz hatte es selbst dieser steife Klotz bisher noch nie für nötig gehalten, sich für einen Besuch in der Brunnenpromenade in Schale zu werfen.
    »Gaius! Wieso hast du dich wie ein Paket verpackt? Und warum bist du überhaupt hier? Ich hörte, du hättest in Ostia zu tun.«
    Mir kam der beunruhigende Gedanke, daß Gaius und Junia vielleicht das Müllbaby adoptieren wollten. Es war nichts so Einfaches, aber das aus ihm rauszuquetschen, kostete einige Anstrengung.
    »Ich war heute morgen in Ostia«, sagte Gaius. Das erklärte nichts. Doch irgendwie gelang es ihm, dem Routinetrip zur Arbeit einen bedeutsamen Beiklang zu geben.
    Ich seufzte und gab es auf. Gaius Baebius zu einer Fünfminutengeschichte zu überreden, dauerte normalerweise drei Tage.
    Ich hängte meinen Umhang an einen Haken, ließ mich auf den Boden fallen (da alle Schemel besetzt waren), schnappte mir das Baby von Junia und begann mit ihm und Nux zu spielen.
    »Marcus!« sagte Helena in leicht warnendem Ton.
    »Was ist los?« Sofort hörte ich auf, mit dem Baby Hoppereiter zu spielen, doch Nux kapierte nicht gleich und jagte mich weiter wie einen wilden Eber. Der Hündin mußte erst noch häusliche Etikette beigebracht werden. Vielleicht war es besser, sie ganz loszuwerden. (Vielleicht konnte man Gaius und Junia überreden, sie zu adoptieren.)
    »Gaius Baebius muß einen Staatsbeamten aufsuchen, Marcus. Er wollte dich fragen, ob du ihn begleitest.«
    »Tja, eigentlich wollte ich dich erst mal fragen, ob du mir seinen Namen nennen kannst«, wandte Gaius ein, während ich das verrückte Hundevieh abwehrte.
    »Wessen Name?«
    »Den des Tribuns der Vierten Kohorte der Vigiles.«
    »Marcus Rubella. Er ist ein Trauerkloß. Halt dich bloß von ihm fern.«
    »Das geht nicht. Der Zoll muß etwas melden.«
    »In formeller Kleidung? Was ist los, Gaius? Ist es was Heikles?«
    Das mußte es wohl sein, sonst hätten diese Arbeitstiere vom Zoll keinen höheren Beamten vor Ende seiner Schicht nach Rom zurückgeschickt. Und Gaius Baebius war offensichtlich verstört über seinen Auftrag.
    Ich stand auf, strich mir die Tunika glatt und gab Junia das Baby zurück. Helena rutschte schweigend ein bißchen weiter auf der Bank, damit ich mich neben Gaius hocken konnte. Der dicke Wackelpudding saß auf einem Schemel, also niedriger als ich. Dadurch war er mir mehr ausgeliefert. Gaius wußte das. Er machte ein unbehagliches Gesicht.
    Ich klopfte ihm aufs Knie und redete ihm mit freundlich gesenkter Stimme gut zu. »Also, was ist los, Gaius?«
    »Es ist vertraulich.«
    »Du kannst es mir ruhig erzählen. Vielleicht weiß ich ja sowieso schon Bescheid. Geht’s um Bestechung?«
    Er schaute mich erstaunt an. »Nein, nichts dergleichen.«
    »Einer der Inspektoren hat eine grauenhafte Entdeckung gemacht«, mischte sich Junia ein.
    Meine Schwester Junia war ein ungeduldiges, hochnäsiges Geschöpf. Sie hatte ein schmales Gesicht, eine dürre Gestalt und einen dazu passenden faden Charakter. Ihr schwarzes Haar trug sie in dünnen Zöpfen um den Kopf aufgesteckt, mit steifen, fingerlangen Ringellocken vor den Ohren und zu beiden Seiten ihres Halses. Das war alles einer Statue der Cleopatra nachempfunden – der reinste Witz, glauben Sie mir.
    Das Leben hatte Junia enttäuscht, und sie war fest davon überzeugt, daß es keinesfalls ihr Fehler sein konnte. Doch angefangen von ihren grausigen Kochkünsten bis hin zu ihrer gereizten, übelnehmerischen Art lag das meiste sehr wohl an ihr selbst.
    Sie behandelte ihren Mann – zumindest in der Öffentlichkeit – immer so, als ständen höhere Zollbeamte auf einer Stufe mit den Taten des Herkules, seien allerdings besser bezahlt. Aber seine Umständlichkeit mußte sie zur Raserei bringen. Jetzt schnaubte sie und übernahm das Wort: »Ein Inspektor, der ausstehende Hafengebühren eintreiben sollte, hat in ein Boot geschaut und einen toten Mann gefunden. Die Leiche war in schlimmer Verfassung, hatte aber eine Erkennungsmarke bei sich. Gaius Baebius wurde ausgewählt, sie nach Rom zurückzubringen.« Das klang so, als sei der vertrauenswürdige Gaius auf geflügelten Sandalen hierhergeflogen, den Goldhelm auf dem

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