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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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unter ihnen ein Verräter befand. Er mußte das faule Ei selbst finden. Also konnte ich das nicht anführen, um meine Arbeit für ihren Tribun zu rechtfertigen. »Immer mit der Ruhe. Petro hat euch also gesagt, ich sei ein Spitzel der Obrigkeit. Ich hätte hinter euch herspioniert und so seine Freundschaft mißbraucht, und ihr einfachen Gemüter findet das natürlich alle schrecklich.«
    »Ich will nichts mit dir zu tun haben, Falco.«
    »Eins verstehe ich nicht, Fusculus: Wenn ihr alle unschuldig seid, wie kommt es dann, daß ihr jeden, der sich gegen Korruption wehrt, als euren Feind betrachtet?«
    »Du bist eine Giftschlange.«
    »Falsch. Du meinst doch nur, daß du zu deinem Chef hältst, auch wenn er sich noch so dämlich aufführt, um deine Beförderung nicht aufs Spiel zu setzen. Ihr solltet lieber schon mal sammeln und Lucius Petronius einen neuen Verstand kaufen.«
    Fusculus sagte noch mal, ich solle verschwinden, und diesmal tat ich es.
     
    Ich war sauer. Niemand wird gern gehaßt.
    Zum Glück gab es einen, an den ich mich wenden konnte, ohne eine Abfuhr zu riskieren. Jemand, der für meine Zwecke über ausreichend Erfahrung verfügte. Jemand, der ebenfalls gehaßt wurde.
    Ich wußte, wo er wohnte: auf der anderen Seite des Hügels, beim Clivus Publicus. Die Parzen kamen heute nacht auf ihre Kosten. Mit müden Füßen schlurfte ich den ganzen Weg zurück und hatte Glück. Er war noch nicht zur Nachtschicht aufgebrochen. Wie ich mir gedacht hatte: Petro übernahm immer die erste Schicht, in der mehr los war, und überließ die spätere, ruhigere seinem Stellvertreter Martinus.
    Es war spät. Ich kam sofort zur Sache. Ich hatte gehofft, ihn nicht in alles einweihen zu müssen, begriff aber bald, daß es am besten war, offen mit ihm zu reden: »Wie läuft die Jagd nach Balbinus? Nicht gut. Natürlich nicht; der Mann ist viel zu gerissen. Aber ich glaube, ich bin da auf was gestoßen. Ich würde damit zu Petronius gehen, aber weil der auf dem hohen Roß sitzt, muß ich die Beschattung allein durchziehen. Wenn ich erst mal beweisen kann, daß Balbinus sein Imperium von ›Platons Akademie‹ weiterführt, wird Petro vielleicht mitmachen wollen. Vielleicht laß ich ihn aber nicht. Vielleicht heimse ich selbst den ganzen Ruhm ein – zusammen mit demjenigen, der mich unterstützt hat …«
    Wie erwartet, biß Martinus an. Er war überglücklich, um Hilfe gebeten zu werden. Ich wußte, warum: Er hielt es für seine große Chance, Petro zu übertrumpfen.
    Ich erzählte ihm, was ich beim Bordell beobachtet hatte und worauf wir stoßen könnten, wenn wir es überwachten. »Weiß Rubella davon, Falco?«
    »Mir ist nicht gestattet …«
    »Hör doch auf. Ich weiß, was das heißt.«
    Ich überlegte einen Moment. »Er weiß es nicht, aber wir werden es ihm sagen müssen. Du kannst dich nicht einfach von deiner Truppe absondern.«
    »Laß mich mit Rubella reden«, schlug Martinus vor. »Wenn er einverstanden ist, kann er die Sache in Ordnung bringen. Er kann sagen, er würde mich zu einer anderen Kohorte versetzen. Das würde den Chef nicht im geringsten überraschen. Es ist mehr oder weniger üblich, daß in dem Moment, wo man mit einem großen Fall völlig überlastet ist, der beste Mann abgezogen wird, um in einem anderen Bezirk einen läppischen Broschendiebstahl in einem dreckigen Badehaus aufzuklären.«
    Ich zweifelte nicht daran, daß die Abkommandierung leicht zu bewerkstelligen war. Streiten ließ sich allerdings darüber, ob Martinus der »beste Mann« der Vierten Kohorte war. Doch es spielte keine Rolle. Dieser großspurige, selbstzufriedene Klotz war genau richtig für meine Zwecke. Martinus würde genüßlich den ganzen Tag in einer Imbißbude sitzen und darauf warten, daß nicht viel passierte. Solange ich in einer anderen Imbißbude am entgegengesetzten Ende der Gasse sitzen konnte, war es mir egal, wen er anödete.
     
    Als ich schließlich zum zweiten Mal in dieser Nacht zurückkam, lag die Brunnenpromenade in tiefer Dunkelheit. Keiner verschwendete Lampenöl darauf, Straßenräubern und Einbrechern ihr dreckiges Handwerk zu erleichtern. Ich machte mich auf alles gefaßt und trottete leise in der Mitte der Straße entlang. Als ich an der Bäckerei vorbeikam, meinte ich, über mir einen Fensterladen knarren zu hören. Ich schaute hoch, konnte aber nichts entdecken. Die Wohnung über der Bäckerei, die, in der der halbe Fußboden fehlte, war sicherlich nicht vermietet worden, und die Stockwerke darüber

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