Gnadenfrist
nötig.«
»Ist Fusculus deshalb mit mir zu Nonnius gegangen?«
»Fusculus ist ein anständiger, gut geschulter Beamter.«
Ausgebildet dafür, mir in die Quere zu kommen, offenbar. In meinem Ärger fand ich den Gedanken an Käse und Oliven plötzlich unwiderstehlich. »Tja, wenn ich sowieso auf einen Anstandswauwau warten muß, kann ich das genauso gut zu Hause machen. Schick mir den Aufpasser in die Brunnenpromenade, ja?«
»Du verweichlichst zusehends!« schnaubte er.
Ich wollte ihm erklären, daß Helena schwanger war, aber es schien mir dann doch zu kurz nach meinem vehementen Abstreiten dieser Tatsache. Von noch mehr Schuldgefühlen niedergedrückt, verließ ich ihn, damit er seinen Tribun besänftigen konnte, während ich zu meinem Mädchen davonschlenderte.
XXXII
Eine kleine, ernsthafte Gestalt begrüßte mich, als ich die Brunnenpromenade erreichte.
»Onkel Marcus! Möge Merkur, der Wegegott, dich stets beschützen!«
Nur Marius, Maias Ältester, verstieg sich zu solchen Förmlichkeiten. Er war ein hübscher, ungeheuer ernsthafter kleiner Junge, acht Jahre alt und vollkommen selbstsicher.
»Hallo, Marius! Ich hatte dich erst nach dem Nachmittagsunterricht erwartet. Kannst du mich besonders gut leiden, oder bist du nur knapp bei Kasse?«
»Ich hab einen Dienstplan für dich ausgearbeitet. Cornelius übernimmt heute nachmittag die Wache, danach Ancus. Das Geld geht an mich, und ich zahle die anderen aus.« Maia hatte all ihre Kinder zu exzellenten Aufsehern erzogen. Mein Müll und ich waren in guten Händen. Aber ihn schien noch etwas anderes zu beschäftigen. »Wir stecken in einer Krise«, verkündete er, als wären er und ich Partner in einem desaströsen Unternehmen. Marius glaubte an die Heiligkeit persönlicher Beziehungen: Ich gehörte zur Familie, also würde ich helfen.
Die beste Hilfe in so einem Fall war: nichts wie weg. »Tja, ich hab schrecklich viel um die Ohren. Offizieller Regierungsauftrag. Aber du kannst mich natürlich immer um Rat fragen.«
»Ich fürchte, ich krieg was aufs Dach«, gestand Marius auf dem Weg zu meinem Haus. »Du wirst wahrscheinlich hören wollen, was geschehen ist.«
»Ehrlich gesagt, Marius, noch ein Problem, und ich breche zusammen.«
»Ich hatte gehofft, ich könnte mich auf dich verlassen«, sagte er düster. Wenn ich ihm nicht eins auf die Nuß geben und mich rasch aus dem Staub machen wollte, saß ich in der Falle.
»Du machst es einem nicht leicht! Hast du schon mal daran gedacht, Gerichtsvollzieher zu werden?«
»Nein, ich will Rhetoriklehrer werden. Ich hab den nötigen Verstand dazu.«
Hätte er nicht die Augen seines Vaters geerbt (allerdings weniger wäßrig), ich hätte mich gefragt, ob wir Marius nicht unter einer Brücke gefunden hatten. Aber vielleicht würde sich dieser junge Trauerkloß eines Tages in den Bankert eines Kesselflickers verlieben und durchbrennen, um Harfenspieler zu werden.
Ich bezweifelte es. In seiner ruhigen Selbstsicherheit hatte Marius die Fallstricke der Exzentrik erkannt und ihnen einfach den Rücken gekehrt. Eigentlich schade. Sein Verstand, auf den er mit Recht so stolz war, hätte was Besseres verdient als einen faden Rhetoriklehrer.
Wir hatten die Wäscherei erreicht. »Ich geh rauf, Marius. Wenn du mir was erzählen willst, ist jetzt der richtige Moment.«
»Tertulla ist schon wieder verschwunden.«
»Na und? Das passiert doch dauernd. Außerdem hat deine Großmutter da jetzt den Daumen drauf.«
»Stimmt. Aber diesmal wird man mir die Schuld geben.«
»Niemand kann dir was wegen Tertulla anhängen, Marius. Sie ist deine Cousine, nicht deine Schwester, und ihr ist nicht mehr zu helfen. Du kannst nichts dafür.« Ob er wohl wußte, daß er eigentlich Marcus hätte heißen sollen, nach mir? Als sein Vater Famia losgeschickt wurde, um die Geburt eintragen zu lassen, war er unterwegs in verschiedenen Schenken eingekehrt und hatte dann den Zettel, den Maia ihm mitgegeben hatte, nicht mehr richtig lesen können. Das wäre schon schlimm genug gewesen, aber er hatte dieses Glanzstück wiederholt, als er seinen zweiten Sohn als Ancus eintragen ließ statt Aulus. Nach der Geburt ihrer Töchter hatte Maia sich mit ihm zur Registratur geschleppt, um sicherzugehen, daß so was nicht noch mal passierte.
»Ich erzähl dir wohl besser, was passiert ist, Onkel Marcus.« Der Anblick eines Kindes, das mir seine Probleme anvertraute, war zuviel. Darauf schien sich Marius verlassen zu haben, dieser gerissene Bengel.
Ich
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