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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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freundest dich mit ihm an. Wenn du mit aufgebrachten Omas fertig wirst, kannst du auch mit verschreckten Knirpsen umgehen. Gewinn sein Vertrauen und hol dann aus ihm raus, was er gesehen hat, als sein Herr angegriffen wurde. Er ist nicht verhaftet, aber wenn er was Nützliches bezeugen kann, will ich, daß er an einen sicheren Ort gebracht wird, nachdem er geredet hat.«
    Da wir nirgends in Ruhe reden konnten, verzogen Petro und ich uns zu einer Konferenz in die Imbißbude auf der anderen Straßenseite.
     
    »Was hältst du von dem Ganzen, Falco?«
    Ich kaute auf einem gefüllten Weinblatt und versuchte, nicht an dessen Konsistenz und Geschmack zu denken. Dieser Auftrag versprach eine endlose Abfolge lauwarmer, an abgesplitterten Tresen schmuddeliger Lokale im Stehen heruntergeschlungener Mahlzeiten zu werden. Petro kam nicht aus einer Familie, die ihm Butterbrote mit zur Arbeit gab. Als wir noch in der Legion waren, hatte er nie daran gedacht, sich Marschverpflegung in die Tunika zu stecken, aber sehr schnell gelernt, meine zu klauen. Ich spuckte einen unverdaulichen Brocken aus. »Sieht so aus, als hätte Nonnius den Überfall auf das Emporium organisiert – und als hätte jemand anderer ihn öffentlich für diese Anmaßung bestraft.«
    Während wir darüber nachdachten, kauten wir ohne rechten Appetit weiter.
    »Andererseits …«, meinte ich.
    Petro stöhnte auf. »Ich kenne dich! Ich hätte wissen müssen, daß dir eine einfache Antwort nicht genügt. Andererseits?«
    »Hatte Nonnius vielleicht gar nichts mit dem Überfall zu tun. Irgendein Schwein denkt einfach, es wäre praktisch, ihm die Sache mit dem Emporium anzuhängen und so aus der Schußlinie zu geraten.«
    »Bißchen blöde«, hielt Petro dagegen. »Als Lebender war Nonnius ein Verdächtiger. Wenn jetzt dieser andere einen Überfall macht, hat er keine Deckung mehr, und ich weiß mit Sicherheit, daß er es war.«
    »Falls du jemals herausfindest, wer ER ist.«
    »Es ist doch immer schön, einen Optimisten um sich zu haben.«
    »Helena meint, daß Lalage hinter der Sache mit dem Emporium steckt.«
    Petronius lachte abschätzig und versank dann in Schweigen. Helena Justinas wilde Ideen hatten die Angewohnheit, sich in den Köpfen anderer so lange hin und her zu drehen, bis sie völlig vernünftig klangen. Ich hatte sogar aufgegeben, sie für wild zu halten. Zu oft hatte ich erlebt, daß sie recht hatte.
    Petro versuchte, mir mit einem Blick klarzumachen, ich sei ein Vollidiot, weil ich mich Helena anvertraute und auf ihre wilden Spekulationen hereinfiel. Als auch das nichts half, meinte er schließlich: »Angenommen, sie hat recht, Falco. Angenommen, Lalage will wirklich die Leitung übernehmen, warum hätte sie dann Nonnius umgebracht?«
    »Sie haßte ihn und hatte noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen. Er hat sie zu hart angefaßt, wenn er für Balbinus kassieren kam. Und dann hat er sie mit dem Problem des ermordeten Lykiers allein gelassen. Außerdem, wenn sie ehrgeizig ist, hat Nonnius das vielleicht erraten und Druck auszuüben versucht. Er könnte sie erpreßt und einen Anteil verlangt haben. Da er schon mal vor Gericht ausgepackt hat, war er eine echte Gefahr; er brauchte nur zu sagen, er würde auch sie denunzieren. Sie mußte damit rechnen, daß er Ernst macht.«
    »Stimmt.«
    Uns war beiden unwohl. Wir hatten nicht genug in der Hand und konnten nur spekulieren. Und obwohl wir beide Meister darin waren, die Fakten einer Situation anzupassen, gab es immer noch das Moment des Unerwarteten, das uns verwirrte. Petro hatte genau wie ich unzählige Male erlebt, daß die Fakten, die er über Monate hinweg mühselig zusammengetragen hatte, sich plötzlich als nebensächlich erwiesen. Die tatsächliche Geschichte konnte allen Theorien widersprechen, die er so sorgfältig zusammengestellt hatte.
    »Willst du noch was essen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich mußte los, ohne Helena auch nur guten Morgen zu sagen. Wenn sich sonst nichts ergibt, geh ich zum Mittagessen nach Hause. Du nicht?«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    Meine Frage war reinste Ironie gewesen. Petro verschwendete niemals einen Gedanken ans Mittagessen. Er ging zum Abendessen mit seinen Kindern nach Hause und manchmal auch zwischendurch, wenn es etwas zu reparieren gab wie zum Beispiel ein Fenster. Er betätigte sich gern als Zimmermann. Sonst war Petronius Longus der Typ, dessen häusliches Leben am glattesten lief, wenn er einen Teil der Nacht bei seinen Patrouillen und den

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