Gnadenlos: Auf der Flucht (German Edition)
ihr nicht. Ganz und gar nicht. Sie redete weiter, denn sie erinnerte sich an einen Artikel, den sie irgendwo gelesen hatte, dass selbst bewusstlose Patienten auf den beruhigenden Klang vertrauter Stimmen reagierten. Sie war nicht sein Bruder oder seine geliebte verstorbene Frau, aber sie war im Moment die einzige Stimme hier.
»Das ist doch eine typische Männerfantasie, stimmt’s? Doktorspiele?« Sie strich mit dem Lappen über seine Wimpern, seine Nase und dann erst die eine Wange hinunter und dann die andere. Sein Gesicht war stoppelig vom Bartwuchs mehrerer Tage. Selbst wenn er schlief, sah er aus wie ein Kerl, der entspannt durch eine dunkle Gasse laufen konnte, in dem Wissen, dass sich niemand mit ihm anlegen würde, weil sein ganzes Gebaren laut verkündete: Es ist mir scheißegal, ob ich sterbe, also beweg deinen Arsch her und versuch dein Glück.
Wenn ein Mann keine Angst hatte zu sterben, überlegten die Leute es sich zweimal, sich mit ihm anzulegen.
Kein Wunder, dass er mit Kratzern und Narben übersät war.
Acadia achtete darauf, dass nichts an Schwester Clemencias Verband kam, und wusch das getrocknete Blut von seinem Hals und den langen Armen, und seine robusten, zähen Muskeln spannten sich unter ihrer liebevollen Fürsorge an und sahen tödlich stark aus. Er hatte eine kraftvolle Brust, sie streifte leicht mit den Fingern darüber. Als sie vor einer halben Ewigkeit ihren wilden Sexmarathon im Hotel zusammen gehabt hatten, hatten sie sich nicht die Zeit genommen, einander kennenzulernen. In der Dunkelheit zu forschen. Der Sex war hart und schnell und endlos gewesen.
Sie sah es als Luxus an, sich an ihm sattsehen zu können.
Er hatte nicht ein Gramm Fett an sich. Seine Brustmuskeln waren hart wie Eisen, bedeckt von weichem, dunklem Haar, das zwischen seinen beeindruckenden Bauchmuskeln nach unten lief, um dort ein dunkles Nest für seinen erigierten Penis zu bilden. Acadia unterdrückte ein nicht sehr krankenschwesterhaftes Kichern. Meine Herren. Ich meine, wow.
Sie wandte sich dem Eimer auf dem klapprigen Tisch neben dem Bett zu, spülte den Waschlappen aus und drehte sich dann wieder zurück, um mit Zaks Waschung fortzufahren. Sie nahm sich einen Augenblick, um noch einmal seine Länge, Breite und sein ganzes Ausmaß zu bewundern. Im Ernst. Wow.
Ohne Vorwarnung schnellte seine rechte Hand hervor, und seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk. Erschrocken stieß Acadia einen kurzen Schrei aus und begegnete einem Paar sündhaft glimmender haselnussbrauner Augen, die kein bisschen verschlafen wirkten.
»Entweder hörst du auf, ihn zu reizen, oder du tust was dagegen.«
Ihr Blick flog in sein Gesicht. Seine Wangen waren gerötet. Nicht vom Fieber, wie ihr klar wurde, sondern vor Lust. In seinen Augen spiegelten sich Scherben goldenen Lichts aus dem Bad, als er ihr einen wissenden Blick zuwarf.
»Du bist ja wach«, sagte sie vorwurfsvoll und versuchte, ihre Hand seinem unerbittlichen Griff zu entziehen.
»Und geil wie Nachbars Lumpi.«
»Das sehe ich. Aber wir können doch nicht … Das solltest du nicht.« In ihrem Hirn gab es einen Kurzschluss, als sein aufgeheizter Blick wie eine Liebkosung über sie glitt. » Nein.«
Ein durchtriebenes Grinsen brachte seinen Mundwinkel zum Zucken. »Stell dein Knie aufs Bett.«
»Auf gar keinen Fall«, entgegnete sie entrüstet. »Vor zwei Stunden warst du tot , Zak. Es war harte Arbeit, dich zurückzuholen. Du hast einen Tropf im Arm. Du bist …«
Er strich mit seiner Hand ihren Oberschenkel hinunter und krallte seine Finger dann in ihre empfindliche Kniekehle. Köstlich und verlockend erzeugte seine Berührung bei ihr eine Gänsehaut und brachte sie völlig durcheinander.
»Je schwerer du mich dafür arbeiten lässt, umso wahrscheinlicher ist es, dass ich mir diesen Tropf herausreiße, ganz zu schweigen von meinen Nähten.«
»Das ist doch kindisch«, schalt sie ihn. »Und so überzeugend deine Mitleidsgeschichte auch ist, ich werde keinen Sex mit dir haben, solange du den Tropf hast und nicht aus eigener Kraft hier rausgehen kannst.«
»Ich bin aber jetzt geil.«
»Und du wirst wieder geil werden«, sagte sie ihm ohne jedes Mitleid und fuhr mit dem warmen, seifigen Waschlappen sein linkes Bein hinunter. Narbe am Knie. Narbe am Oberschenkel. Narbe am großen Zeh. »Stell dir mal vor, wie traumatisiert ich wäre, wenn wir Sex hätten und du würdest mittendrin sterben. Ich wäre für den Rest meines Lebens erledigt, und was würde dann aus
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