Gnadenlos (Sara Cooper)
sein. Das mochte Todd an Eureka nicht. Die Stadt im Norden Kaliforniens war nicht nur bekannt für ihre eigene Fernsehserie, sondern auch für ihr verhältnismäßig kühles Klima mit geringen jahreszeitlichen Temperaturschwankungen. Das hinge mit dem kalten Pazifik zusammen, dessen Wassertemperatur das ganze Jahr über zwischen kühlen 12 und 16 Grad liege, hatte sein alter Kumpel Jeremy ihm erklärt. Todd hatte keine Ahnung, ob das stimmte. Er war froh, dass er für ein paar Tage bei Jeremy unterkommen konnte – ohne sich doofe Fragen anhören zu müssen.
Die Redwood-Wälder ragten über Todd auf. Es war ein imposantes Bild. Die bis zu 115 Meter hohen Bäume mit ihrem rötlichen Holz galten als die höchsten der Welt und kamen nur entlang der Küste Nordkaliforniens vor. Sein T-Shirt klebte an seinem Körper und seine Laufschuhe standen vor Dreck. Er sprintete den Waldweg entlang, als würde er um sein Leben rennen. Seine Gedanken rasten, sein Puls hämmerte. Als er eine kleine Böschung hinauflief, bemerkte er, dass niemand sonst auf der Strecke zu sehen war. Er war ganz allein. Lange würde sein Körper dem hohen Tempo nicht standhalten, seine Beine wurden immer schwerer. Bald krampften seine Waden und er geriet völlig außer Puste. Als das Gelände flacher wurde, verlangsamte er, bis er schließlich stehen blieb und die Hände gegen seine Knie stemmte. Über sein Keuchen und Herzklopfen hinweg hörte er das Rauschen eines Flusses, der in der Nähe mündete. Er blickte sich um und erkannte, dass er viel zu weit gelaufen war. Es würde mindestens 45 Minuten dauern, bis er wieder bei seinem Auto war. Er ging in die Hocke und schnürte seine Schuhe nochmal fest. Während er sich noch über seinen Leichtsinn ärgerte, vernahm er ein Geräusch und riss den Kopf hoch. Schritte? Er hatte das Gefühl, dass sich ihm jemand näherte, aber da war nichts. Der Weg hinter ihm war leer. Langsam nahm er sein Lauftempo wieder auf und joggte weiter – das ungute Gefühl begleitete ihn bei jedem Schritt.
Während er den Lauten des hereinbrechenden Morgens lauschte, blieb er auf der Hut. Sein Atem ging schneller, als er wieder dieses dumpfe Geräusch hinter sich vernahm. Bestimmt ein anderer Jogger, versuchte er sich zu beruhigen. In der Hoffnung, dass das Geräusch hinter ihm verschwinden würde, nahm er die Abbiegung – das tat es aber nicht. Die feinen Härchen in seinem Nacken sträubten sich. In der Erwartung, ein wildes Tier würde ihn jeden Moment anspringen, blickte er sich schließlich um. Er atmete erleichtert auf: es war nur ein Jogger, der sich ihm mit hoher Geschwindigkeit näherte. Todd erkannte nur eine verschwommene schwarze Silhouette in der Ferne, die immer näher kam. Er ignorierte seine brennenden Lungen und verfiel in einen Sprint. Warum tust du das? Es war nichts Ungewöhnliches daran, dass auch andere hier joggten. In letzter Zeit kam ihm alles verdächtig vor. Die Schritte kamen näher und der Junge beschleunigte weiter. Er musste den beleuchteten Weg erreichen, der nur wenige Meter von ihm entfernt begann. Die Bäume ringsherum erhoben sich nun in der Morgendämmerung und erzeugten trotzdem ein Gefühl der Bedrohung in ihm.
Der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Bald würde er die Straße zum Parkausgang erreichen. Todd hatte nur dieses eine Ziel vor Augen: den Parkplatz. Der Jogger hatte offensichtlich zu ihm aufgeschlossen, überholte ihn aber nicht. Als Todd sich umwandte, wäre er beinahe über eine Wurzel gestolpert. Wild mit den Armen fuchtelnd gewann er sein Gleichgewicht zurück. Der Mann lief nun unmittelbar hinter ihm. Todd warf einen flüchtigen Blick auf die große, durchtrainierte Gestalt. Der Mann war von Kopf bis Fuß in einen schwarzen Trainingsanzug gehüllt und hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Spätestens jetzt packte Todd die volle Panik. Seine Lungen brannten wie Feuer. Er wollte ihn vorbeilassen und verlangsamte sein Tempo. Doch auch der Fremde verlangsamte und blieb ein paar Meter hinter ihm. Todd hörte den gleichmäßigen Atem in unmittelbarer Nähe. Beruhig dich! Adrenalin schoss durch seinen Körper. In dem Moment, als er stehen blieb und auf Konfrontationskurs mit dem Fremden gehen wollte, sprintete dieser los und rammte seine Schulter gegen Todds Oberkörper. „Hey, pass doch auf!“, zischte eine tiefe Stimme.
Völlig außer Atem blickte Todd dem Mann nach, der in einem Seitenweg verschwand. Das Brennen in seiner Brust ließ nur langsam nach. Keuchend strich
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