Gnadenlos (Sara Cooper)
Aufnahmeknopf. „13. April, 4:32 Uhr. Verhör mit Robert Sutton. Anwesend: Lieutenant Peter Miller und Robert Sutton.“ Während er die Worte aussprach, hielt er den Blick seines Gegenübers fest. „Ihr Anwalt ist unterwegs, aber vielleicht können wir das hier schnell zu Ende bringen. Ich will nur eine Sache von Ihnen wissen: Haben Sie es auf Claire Reynolds abgesehen und ihr die Kerle in Thailand auf den Hals gehetzt?“
Der Mann lehnte sich mit einem süffisanten Grinsen zurück. Miller war versucht aufzubrausen, besann sich aber. Er ließ einige Sekunden verstreichen. Dann sagte er mit kontrollierter Stimme: „Hören Sie. Ihre Machenschaften sind mir egal. Es geht hier um das Leben von mehreren Jugendlichen, und da hört meine Geduld auf.“
Der Verdächtige genoss seine Rolle, er wusste, dass Miller auf seine Mithilfe angewiesen war. „Was bekomme ich als Gegenleistung, wenn ich Ihnen Auskunft gebe?“, fragte er provozierend.
Wieder starrten sie sich an, und der Hass schien eine Brücke zwischen ihren Augen zu schlagen. Schließlich platzte dem Lieutenant der Kragen, er stand auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. Sutton fiel fast vom Stuhl. „Dann können Sie hier als freier Mann rausmarschieren und ich sehe von jeder weiteren Untersuchung ab, kapiert?“, rief er mit wachsender Ungeduld. „Aber dafür sollten Sie schnell mit Antworten kommen. Ich habe nämlich noch eine Verabredung zum Frühstück.“
„In Ordnung, ich erzähl Ihnen alles, was ich weiß“, Sutton war klar, dass er es sich mit Miller besser nicht verscherzte. „Claire hat für uns einen Job erledigt. Für diesen Job hat sie 50.000 Dollar erhalten. Und mit dem Geld ist sie abgehauen. Außerdem hat sie versucht mich zu erpressen – mit einer pikanten Videoaufnahme. Punkt.“
„Und das hat Sie verdammt wütend gemacht, richtig?“
„Ja, natürlich. Keiner legt mich so einfach rein. Schon gar nicht ein vorlautes Mädchen. Wir haben sie gesucht, aber sie war unauffindbar.“
„Und da haben Sie Ihre Leute nach Thailand geschickt, um die Sache zu bereinigen“, beendete Miller Suttons Ausführungen.
Der Verhörte schüttelte vehement den Kopf. „Nein, das war nicht mehr nötig“, sagte er nüchtern.
Miller verstand nicht. „Wie meinen Sie das?“
Der Mann strich sich sein Hemd glatt. „Wir haben das Geld bekommen. Und auch das Video.“
Miller stand auf und beugte sich vor. „Wie bitte? Wann? Und von wem?“
Sein Gegenüber lachte spöttisch auf. „Ach, das wissen Sie gar nicht? Gestern hat uns ein Junge das Geld gebracht.“
„Die ganze Summe?“ Der Blick des Polizisten verengte sich.
„Nein, es fehlten 2.000 Dollar. Der Junge sagte, die würde ich noch bekommen. Ich habe es dabei belassen.“
„Wer hat Ihnen das Geld gebracht?“
„Irgendein Todd“, lautete die knappe Antwort.
„Und weiter?“ Millers Hals vibrierte.
„Nichts weiter! Er hatte ziemlich Schiss, der Arme. Wir haben ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er die Klappe zu halten hat. Für uns war die Sache damit erledigt.“
Miller schaltete das Tonbandgerät aus.
Er wollte den Raum verlassen, da rief ihm Sutton noch etwas hinterher. „Wenn wir gewusst hätten, dass Claire in Thailand ist, hätten wir sie wahrscheinlich dort gesucht.“ Er lachte. „Aber wir hatten keine Ahnung. Ihr Bruder hat dicht gehalten.“
Miller schloss die Tür hinter sich, ohne auf die Bemerkung einzugehen, und wandte sich an Lilly und Cruz. „Setzt das Drogendezernat auf den Scheißkerl an“, sagte er trocken. „Dem wird das Lachen schon noch vergehen.“
Cruz stand an der Tür, seine Jacke in der Hand. „Todd, Sir, Todd Haim. Das ist der Ex-Freund von Mia. Keine Ahnung, was er damit zu tun hat. Aber ich werde ihn jetzt fragen.“
Kapitel 42
Eureka, Kalifornien
Es war früher Morgen, die Sonne war noch nicht aufgegangen. Todd lief in den Wald hinein. Er musste einen freien Kopf bekommen, und das gelang ihm normalerweise beim Joggen, aber seit ein paar Tagen war nichts mehr normal in seinem Leben. Wie war er nur in diese Geschichte hineingeraten? Er war so dumm gewesen. Und wieder mal war ein Mädchen Schuld daran. Warum musste er immer den Beschützer spielen? Schon bei Mia hatte er das damals gemacht, und jetzt wieder bei Claire. Sein Blick wanderte umher. Es dämmerte mittlerweile und vereinzelte Laternen am Waldrand sorgten ab und zu für etwas Licht. Sein Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft, es mochte kaum fünf Grad warm
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