Gnadenlos (Sara Cooper)
ihn – und auch Matt. Ihre Schwester hatte sie nicht erreicht. Keine Nachricht. Nichts. Ein Klopfen riss Sara aus ihren Gedanken. Sie erstarrte. „Ich bin es, Tom“, hörte sie von der anderen Seite, und ihr Puls verlangsamte sich wieder. „Wer auch sonst?!“, murmelte sie. Sie öffnete die Tür und Tom stand mit einem Ausdruck im Gesicht vor ihr, den sie nicht zuordnen konnte. „Wo warst du so lange? Was ist passiert?“, fragte sie intuitiv.
Er ging an ihr vorbei ins Zimmer und setzte sich aufs Bett. „Mia ist weg. Sie wurde offensichtlich entlassen.“ Er strich sich durch die Haare und blickte Sara an. „Warum, weiß ich nicht“, fuhr er fort.
Sara setzte sich neben ihn. Sie konnte nicht fassen, was sie eben gehört hatte. „Wie bitte? Wo ist sie?“
Tom schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Als hätte sie jemand wegschaffen wollen, bevor ich kam. Man sagte mir, die „Beweise“ seien entkräftet worden, und sie sollte eigentlich direkt nach San Diego gebracht werden. Aber irgendetwas ist dazwischen gekommen. Was genau, weiß mein Informant auch nicht. Mia ist auf jeden Fall noch in Thailand.“
Sara rieb sich die Schläfen. Da fielen ihr Cruz‘ Worte ein. Sie nahm Toms Arm und blickte ihn an. „Vielleicht geht es hier gar nicht um Mia, sondern um ihre Freundin Claire. Vielleicht haben die Kerle sie einfach verwechselt. Die beide Brüder, die wir auf Koh Tao gesprochen haben, meinten doch auch, dass die beiden sich zum Verwechseln ähnlich sahen.“ Saras Hand lag immer noch auf Toms Arm und er wirkte irritiert. „Oh, sorry“, sagte sie schnell und zog ihre Hand weg. „Was machen wir nun?“, fragte sie unsicher.
Tom und Sara blickten sich eine Sekunde an, dann unterbrach das Klingeln des Handys die Stille. Es war Jane, ihre Schwester. Sara beschlich sofort ein mulmiges Gefühl. „Jane, endlich. Wo steckst du denn?“
Jane wirkte aufgelöst. „Ich war bei der Polizei, bei Miller.“
Sara stand abrupt auf. „Wie bitte? Bist du wahnsinnig?“
Ihre Schwester schien mit den Tränen zu kämpfen. „Ich konnte dich nicht erreichen, Sara. Mia hat angerufen, sie ist in Gefahr. Sie wurde verhaftet, ist jetzt aber wieder frei. Sie sagt, sie kann niemandem trauen.“ „Stopp, Stopp. Jane, ganz langsam“, Sara versuchte ihre Schwester zu beruhigen. „Langsam. Mia hat sich bei dir gemeldet und es geht ihr gut?“
Jane schluchzte. „Ja, ich glaube, es geht ihr gut. Sie meinte, sie müsste ihre Freundin suchen. Die beiden sind getrennt worden.“
Sara ging nervös auf und ab. „Jane, wie kann ich Mia erreichen? Hast du ihr meine Nummer geben können?“
„Nein. Sie hatte nichts zu schreiben, und die Verbindung wurde getrennt. Sie wird mich wieder anrufen.“
Sara nickte. „Alles klar. Was ist mit Miller?“
Jane atmete hörbar ein: „Ich wusste nicht mehr weiter, da bin ich zur Polizei. Ich habe erst Cruz angerufen und er hat mich aufs Revier gebeten. Miller schien nicht sonderlich glücklich darüber, aber er hat mir zugehört. Hinzu kamen dann noch die Ermittlungsergebnisse deiner Kollegen. Irgendwann war auch Miller klar, dass hier was nicht stimmt. Er ermittelt jetzt offiziell in der Sache. Zusammen mit Interpol.“
Sara schloss die Augen, endlich eine gute Nachricht. „Jane, wo ist Mia hin? Hat sie was gesagt?“
„Nein, sie meinte nur, dass sie Claire sucht und mich wieder anruft. Ach ja, und dass ein Kerl namens Robert White überprüft werden muss. Er hat sich als ihr Anwalt ausgegeben. Ich habe noch nie von diesem Kerl gehört. Dein Kollege Cruz kümmert sich darum.“
Kapitel 45
Chumphon
Mia und Ryan stiegen nach einer langen Fahrt in Chumphon aus dem Zug. Sie fühlten sich völlig gerädert und hatten Hunger. Nori hatte ihnen etwas Geld gegeben, von dem sich Ryan erst mal ein Prepaid-Handy kaufte. Mia hatte sofort versucht ihre Mutter anzurufen, aber nur den Anrufbeantworter erreicht. Sie hinterließ eine Nachricht mit Ryans Nummer und hoffte, dass ihre Mom oder ihr Dad sich schnell melden würde. Ryan reichte ihr eine Schale mit Hühnchen und Reis, dazu ein Glas Wasser. „Hier, du musst etwas essen“, mahnte er. „Glaubst du, Claire ist im Krankenhaus?“, fragte Mia, während sie sich zwischen zwei Bissen den Mund mit einer Serviette abwischte. „Ich denke, wenn sie in ein Krankenhaus gekommen ist, dann nach Chumphon. Wir werden es gleich wissen“, entgegnete Ryan. Er stellte sein Glas ab, nahm seinen Rucksack und stand auf.
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