Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
Vom Netzwerk:
Blick für einen Moment zu der stillenden Mutter ging, so sah ich dort Sorgen und Ärger. Obwohl sie doch, mit dem kleinen Leben in ihren Armen, das Glück halten musste. Doch so richtig glücklich war nur die Oma. Das einzige, was sie brauchte um sorgenlos zu sein, war ein hungriger Spatz, der wohl auch von einem fetten Kater die winzigen Krümel angenommen hätte. Wenn es denn einen gegeben hätte, der so dämlich gewesen wäre.
    Doch die Alte begriff das nicht, und das war auch gut so. Sie war wahrscheinlich schon seit vielen Jahren Witwe, vielleicht musste sie mit einer erbärmlichen Rente auskommen. Doch sie war glücklich. Glücklich, weil der kleine Spatz bei ihr war, und ihr Brot fraß. Hansemann war ihr letzter Freund, und er genügte ihr.
    Ich war von ihr tief beeindruckt. An diesem Tag hatte ich so gute Laune, wie schon lange nicht mehr.

    Aber es gab auch Tage, da las ich andere, schlimmere Gedanken. Gedanken, die mir nachts Albträume verursachten. Gedanken, die nicht von einem Menschen stammen konnten, sondern von einem Tier, einer Bestie. Leider, oder zum Glück, hatte ich nie herausfinden können, wer mir diese schrecklichen Gedanken schickte. Wer weiß, was ich unternommen hätte, wenn ich den Menschen identifiziert hätte, der sie dachte?
    [Einmal nur einen Menschen töten! Das wäre fein. Ich möchte einfach nur wissen, wie das ist, wenn man einen umbringt. Mit einem dicken Gewehr jemanden das Gehirn aus dem Schädel blasen. So, dass es meterweit spritzt, und selbst ein erfahrener Polizist bei dem Anblick kotzen muss. Das wäre doch schön. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wen man tötet. Menschen werden doch nur geboren, um zu sterben.
Wann
man stirbt, ist doch absolut egal. Vielleicht der Opa da drüben? Der sieht ohnehin so aus, als ob er es nicht mehr lange machen wird. Oder die kleine Göre mit den blonden Zöpfen? Vielleicht würde ich ihr mit dem Tod ein Leben als Hure ersparen, oder als verprügelte Ehefrau? Ob es ein besonderes Gefühl ist, ein Kind zu töten? Ich würde es nur zugern wissen! Einen alten Mann umzubringen ist bestimmt nicht so interessant, nicht so aufregend. Da hatten es die Männer der SS im Dritten Reich viel besser. Die konnten
alle
töten. Egal, ob Mann oder Frau, ob alt oder jung. Die durften alles töten, was ihnen vor die Knarren lief, es musste nur ein wenig jüdisch aussehen. Damals reichte es schon aus, wenn die Opfer eine Gurkennase hatten. Vielleicht töte ich ja einen Türken? Aber das wäre bestimmt so, als ob man nur eine Ratte umbringen würde. Viel interessanter ist es, jemanden wegzublasen, der einen echten Wert darstellt. Eine Arzt vielleicht, oder einen Richter. Ja, einen Richter! Das wär’s! Oder noch besser: einen Politiker. Von denen gibt es sowieso zu viele.
    Aber vielleicht ist es auch besser, wenn ich mir zuerst etwas Winziges vornehme? Dieser Krüppel dort im Rollstuhl, der so bescheuert durch die Gegend glotzt. Für den wäre es doch eine Erlösung. Und zum Üben wäre der genau richtig. Ja, er ist der Richtige. Schade, dass ich soviel Angst vor dem Gefängnis habe. Ich würde glatt nach Hause gehen, um eines meiner Gewehre zu holen. Meine Lieblingswaffe. Das Gewehr mit dem Präzisionsfernrohr. Womit ich schon so viele Karnickel abgeknallt habe. Oder die Pistole, die ich dem verrückten Nazi abgekauft habe. Ich würde mich an den Krüppel heranschleichen, und ihm die Pistole ins Genick drücken. Dann würde ich sa…]
    Abrupt riss die Gedankenverbindung ab. Ich wusste nicht, wer von uns die Leitung kappte; ich vermutete aber, dass ich es war. Es war zuviel für mein Hirn. Da lief jemand frei herum, der sich Gedanken darüber machte, mit welchem Mordopfer er den größten Spaß haben könnte.
    Ich hatte die allergrößte Panik. Doch ich konnte den Drang zu fliehen, widerstehen. Ich wollte unbedingt wissen, wer diese grausamen Gedanken gedacht hatte. Doch so eingehend ich die Personen auf dem Platz auch studierte, niemand schien in Frage zu kommen. Zu absonderlich, zu pervers waren die Gedanken gewesen, als dass ich sie einem
Menschen
hätte zuordnen können.
    Aber es hatte mich jemand beobachtet, der es geil fand, sich meine Erschießung auszumalen! Unter den Hunderten von Menschen verbarg sich ein Tier, das jagen wollte. Jagen, um den Durst nach Blut zu stillen.
    Ich hatte fürs Erste genug, und machte mich langsam auf den Heimweg. Dabei hatte ich es nicht eilig, zumindest war ich nicht in der Lage, irgendetwas schnell auszuführen. Ich

Weitere Kostenlose Bücher