Gnadenlose Gedanken (German Edition)
mindestens zehn Jahren nicht mehr genannt. Die Überraschung schien mir gelungen zu sein.
„Dass
du
anrufst! Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet! Lass mich raten. Dein Geld ist alle, stimmt`s?“
„Nein, Mutter“, antwortete ich mit einem Seufzer.
Immer noch ganz die Alte. Ihr schien es gut zu gehen. Ich musste ihr Honig um das Maul schmieren, um sie umgänglicher zu machen.
„Dein großzügiger Zuschuss würde noch für zwei Monate Irland ausreichen. Ich danke dir noch einmal herzlichst. Ich wollte wirklich nur hören, ob es dir gut geht. Weißt du, ich war in letzter Zeit nicht besonders nett zu dir und Vater. Die Seeluft scheint mir meinen Kopf freigepustet zu haben. Ich sehe nun ein, dass ich euch Unrecht getan habe. Doch ihr habt mir trotzdem die Reise bezahlt. Das war wirklich sehr nett und großzügig von euch.“
In meinen Gedanken, die hoffentlich nicht von einem Fremden gelesen werden konnten, sah ich feuchte Schnecken, die eine schleimige Spur hinter sich herzogen. Zu was ein braver Sohn nicht alles fähig sein konnte!
„Ist schon gut!“, sagte sie gönnerhaft.
„Dein Vater und ich sind dir um ein paar Jährchen Erfahrung und Weisheit voraus. Schön, dass du deine Fehler einsiehst. Wie ist das Wetter, kümmert sich dieser Manfred auch richtig um dich?“
Mir gingen ein paar passende Antworten durch den Kopf, aber bevor sie mein Sprachzentrum erreichen konnten, antwortete ich schnell.
„Das Wetter ist typisch irisch. Regen und Sonne. Sonne und Regen. Und dazu immer ein starker Wind.“
Den zweiten Teil ihrer Frage ließ ich lieber unbeantwortet, unauffällig musste ich zu dem eigentlichen Grund meines Anrufes kommen.
„Ich hoffe, es macht dir nicht zu viel Mühe, dich um meine Blumen zu kümmern? Eigentlich lohnt es sich doch nicht, sie noch zu pflegen, finde ich. Und wenn ich dann an deine Migräne denke…!“
Nun hatte ich geschickt das Lieblingsthema meiner Mutter angeschnitten. Nichts ging doch über eine zünftige Migräne! Sie musste immer herhalten, wenn meine Mutter etwas erledigen sollte, wozu sie nun aber überhaupt keine Lust hatte. Und von was sie alles eine Migräne bekommen konnte! Wetter, falsches Essen, zuviel Bewegung, zuwenig Bewegung, laute Musik, falsche Musik, und, und, und…!
„Ach lass nur gut sein! Schließlich habe ich es dir doch vor deiner Abreise zugesagt. Es ist zwar ein weiter Weg bis in diesen lausigen Teil der Stadt, aber versprochen ist versprochen.“
Alle Stadtviertel, deren Häuser weniger als Vierhunderttausend Euro kosteten, waren für meine Mutter lausig. Dabei hatte sie ihr eigenes nur von ihrer Mutter geerbt.
„Manfred hat gesagt, und der hat wirklich eine Menge Ahnung vom Grünzeug, dass es die Blumen eh nicht mehr lange machen werden. Es wäre reine Wasserverschwendung, sie noch weiter zu gießen.“
Das einzige, was Manfred von Grünzeug wusste, war, wie man es schmackhaft zubereitete, aber das verheimlichte ich meiner Mutter. Sie hätte es wohl auch gar nicht hören wollen. Sie konnte ihre Freude kaum verbergen.
„Tja also, wenn du wirklich meinst. Aber es macht mir wirklich nichts aus“, fügte sie noch schnell hinzu.
„Nein, vielen Dank. Es ist wirklich überflüssig. Sie sind es nicht wert. Mit deiner Zeit kannst du bestimmt etwas Besseres anfangen.“
„Wie du meinst. Und du brauchst wirklich kein Geld mehr? Es würde mir nichts ausmachen, dir…“
Sie wollte langsam zum Ende kommen. Scheinbar wollte sie sofort damit beginnen, ihre dazugewonnene Zeit mit so wichtigen Dingen wie Kreuzworträtseln oder Fernsehen auszufüllen.
„Wirklich nicht. Vielen, vielen Dank noch mal. Auch an Vater. Und viele Grüße, auch von Manni.“
„Ja ja. Schon gut. Viel Spaß noch. Und gib darauf acht, dass du dich bei dem unbeständigen Wetter nicht verkühlst!“
Sie konnte kein Gespräch ohne einen guten Ratschlag abschließen. Sie war halt eine Mutter.
"Alles klar. Wiederhören, Mutter!“
Erleichtert legte ich den Hörer auf. Nun musste ich nur noch eine glaubhafte Erklärung für die drei Gesellen vor der Tür finden, die hoffentlich nicht den unheimlich spannenden Inhalt dieses lebenswichtigen Telefonates mitgehört hatten.
„Was war denn los?“, fragte Manfred, immer noch besorgt.
Ich versuchte verlegen zu lächeln, legte meinen gesamtem Charme in dieses Grinsen.
„Tja, ääh…Mir ist das alles so peinlich!“
Erwartungsvoll blickten mich drei Augenpaare an.
„Ich hatte plötzlich so eine Eingebung. Ich
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