Gnadenlose Gedanken (German Edition)
war mir vollkommen sicher, dass wir vor unserer Abreise vergessen hatten, die Kaffeemaschine auszuschalten.“
Eine bessere Ausrede fiel mir in diesem Moment wirklich nicht ein.
„Aber meine Mutter konnte mich beruhigen. Alles in Ordnung zu Hause. Tut mir wirklich leid, dass ich mich so aufgeführt habe. Entschuldigt bitte!“
Es entstand eine kurze Pause, in der niemand es wagte, etwas zu sagen. Sie konnten kaum glauben, dass ich wegen einer Kaffeemaschine so einen Wirbel veranstaltet hatte. Aber zumindest Gertrud und Rolf nahmen es mir ab. Sie waren nicht so erfahren im Umgang mit behinderten Menschen. Sie dachten wohl, wir sind halt so…
Manfred schaute mich etwas skeptischer an. Irgendetwas in seinem Blick verriet mir, dass sich von diesem Augenblick an, unsere Beziehung verändert hatte. Entgegen seiner sonstigen Zurückhaltung, sagte er mir mit seinen Augen, dass er mir nicht glaubte. Er wusste genau, dass ich gelogen hatte, ahnte, dass irgendetwas
überhaupt nicht
in Ordnung war. Jetzt überlegte er, ob er es mir sagen sollte. Ich blickte ihn herausfordernd an. Sollte er seine Zweifel doch vorbringen! Ich würde ihn schon überzeugen!
Doch er sagte nichts.
Gertrud und Rolf zogen sich diskret zurück. Ihnen war die Situation sichtlich unangenehm, ähnlich wie mir.
Manfred hob mich zurück ins Bett. Diesmal verzichtete er darauf, mit unseren Gastgebern noch einen Schlummertrunk zu nehmen.
13
Der Polizist interessierte sich nicht für die Tränen meiner Mutter. Er arbeitete schon seit über achtzehn Jahren im Kommissariat für Kapitalverbrechen, und er hatte dabei schon ganz andere Fälle erlebt, als leergetrunkene Pfarrer. Ok, einen gewöhnlichen Mord konnte man das nicht gerade nennen. Aber wer schon einmal eine Babyleiche gesehen hatte, bei der es unmöglich war festzustellen, ob sie männlich oder weiblich war, dem konnte ein toter Pfaffe nicht mehr den Appetit auf das Frühstück verderben.
Kommissar Laschek war als erste Beamter seiner Abteilung am Tatort eingetroffen. Er war von einem käsigen Uniformierten in Empfang genommen worden, der sichtlich froh darüber war, die Verantwortung endlich abgeben zu können. Laschek hatte sich schnell umgesehen und die üblichen Fragen gestellt. Wer war der Tote, wer hatte ihn gefunden? Waren die Spurensicherung und der Arzt bereits unterwegs? Da ihm ein Greenhorn gegenüber stand, fragte er vorsichtshalber noch, ob irgendetwas angefasst worden war. Der Kleine verneinte die letzte Frage schnell, und zog dann erleichtert ab. Laschek wartete noch auf die Kollegen der SpuSi, gab ihnen kurze Anweisungen, und ging dann erst einmal frühstücken. Er war meistens schlecht gelaunt, aber hungrig war er unausstehlich. In seiner Abteilung nannten sie ihn den „Brummbär“. Kein besonders origineller Spitzname für einen 120 Kilo schweren Hünen mit Bauch und Doppelkinn. Er hatte nie verstanden, warum es diese Angewohnheit gab, allen Bullen so alberne Spitznamen zu geben. Vielleicht hatten einige seiner Leute nie aufgehört, Räuber und Gendarm zu spielen.
Nun saß er einer heulenden Alten gegenüber, die seine Geduld strapazierte. Sie war kaum in der Lage gewesen, ihm ihren Namen mitzuteilen. Dabei war doch lediglich ein Pfarrer gestorben. Zugegeben, einen schönen Tod war er nicht gerade gestorben, aber welche Todesart war schon angenehm? Verdammt, wir allen mussten doch einmal sterben! Die einen kommen unter einen Lastwagen, und den anderen wird die Kehle durchgebissen. Na und? Tot sind danach beide!
Er versuchte, so freundlich wie möglich zu sein.
„Frau Braun, jetzt fassen Sie sich doch bitte wieder! Kennen Sie wirklich nicht den genauen Aufenthaltsort ihres Sohnes? Hat er ihnen denn keine Urlaubsadresse hinterlassen?“
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und sah ihn vorwurfsvoll an.
„Ich sagte ihnen doch bereits, er ist auf einer Rundreise. Er kannte vor seiner Abreise selber noch nicht die exakte Route. Er wollte sich mit seinem Betreuer vor Ort entscheiden. Sie wissen doch, wie spontan die jungen Leute sein können!“
Nein, wusste er nicht! Er wusste im Moment nur, dass er einen Mord an einem Geistlichen aufklären musste, der zum falschen Zeitpunkt an einem Ort gewesen war, an dem er überhaupt nichts zu suchen gehabt hatte. Warum hatte der Mann denn nichts Besseres zu tun, als die Blumen eines verwöhnten Krüppels zu gießen, der sich in Irland vergnügte, während in seiner Wohnung Menschen geschlachtet wurden? Warum rettete der
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