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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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Pfarrer nicht die verlorenen Seelen seiner Schafe? Kein Wunder, dass immer mehr Gläubige aus der Kirche austraten. Laschek war froh, dass er das bereits vor zwanzig Jahren gemacht hatte. Wenn die Kirchensteuern nur zur Grünpflege in Behindertenwohnungen verschwendet wurden, wunderte er sich nicht mehr, dass die Kirche so reich war.

    „Erklären Sie mir noch einmal, warum Pfarrer Hofgang sich um die Blumen ihres Sohnes kümmern wollte. Ich meine, es erstaunt mich schon ein wenig, dass ein Mann, der eine Gemeinde mit Tausenden von Mitgliedern führt, sich für so eine Kleinigkeit Zeit genommen hat.“
    „Er ist, er war, ein Freund der Familie. Ich bin sehr aktiv in Pfarrer Hofgangs Kirche, und er tat mir den Freundschaftsdienst, weil ich mich heute Morgen nicht sehr gut fühlte. Sie müssen wissen, von Zeit zu Zeit habe ich sehr starke Migräneanfälle, die es mir unmöglich machen, mein Haus zu verlassen!“
    Musste er nicht wissen, aber er schwieg. Immerhin taute sie langsam ein bisschen auf. Vielleicht konnte er ja doch noch etwas von ihr erfahren. Im Moment war er für jede Information dankbar, die ihm dabei half, sich ein Bild von dieser Familie zu machen. Und wenn es nur die Wehwehchen der Alten waren.

    Der Streifenpolizist, der den Tatort bewacht hatte, war der Meinung gewesen, der Pfarrer hätte einen drogensüchtigen Einbrecher überrascht. Wenn man frisch von der Polizeischule kam, glaubte man noch an so profane Erklärungen. Aber Einbrecher suchten sich selten solche ärmlichen Gegenden aus, um etwas Wertvolles zu stehlen. Sie brachen auch nicht zu dieser Tageszeit ein, und schon gar nicht, indem sie einfach die Türen eintraten. Sie wollten möglichst ungestört arbeiten, und eine eingetretene Wohnungstür lud ungebetene Zeugen geradezu ein. Selbst, wenn es ein vollgepumpter Junkie gewesen war, er hätte bestimmt nicht den Hals eines Pfarrers zerfetzt. Junkies sind feige Ratten, die sofort verschwanden, wenn man sie aufscheuchte. Nein, das war kein gewöhnlicher Einbrecher gewesen. Das hier war das Werk eines wilden Tieres, das auf Beutejagd gewesen war. Und es hatte erfolgreich Futter gefunden! Es hatte sich sattgetrunken. Aber wie lange würde es dauern, bis es wieder Hunger bekommen würde? Laschek hatte nicht die Zeit, sich die Leiden einer migränegeplagten Hausfrau anzuhören. Er musste diese Bestie finden, bevor sie erneut Beute machte.

    „Wann erwarten Sie ihren Sohn denn zurück? Oder können Sie das auch nicht sagen?“
    Laschek sah die Alte ohne große Hoffnungen an. Dass ihr Sohn vielleicht in Lebensgefahr sein könnte, schien sie entweder nicht zu begreifen, oder es interessierte sie nicht wirklich.
    „Ich weiß es doch nicht!“
    Sie war jetzt beinahe ein bisschen wütend.
    „Seit dem Unglück, seit er mit diesem Pfleger alleine wohnt, hat er sich ziemlich abgekapselt. Wir sehen ihn kaum noch, er entzieht sich immer mehr unserem Einfluss.“
    Was Laschek nur zu gut verstehen konnte. Den Vater hatte er noch nicht kennengelernt, er war auf dem Weg von der Kanzlei nach Hause. Aber wenn er auch nur halb so desinteressiert sein würde, wie seine Gattin, wäre es keine Überraschung für Laschek, wenn ihr Sohn überhaupt nicht mehr zurückkehren würde. Wie es schien, hatte er zu diesem Krankenpfleger ein besseres Verhältnis als zu seinen Erzeugern.

    Langsam wurde Laschek richtig ungeduldig. Außerdem hatte er wieder Hunger. Er hätte jetzt große Lust auf ein Steak gehabt, auch wenn es vielleicht noch ein bisschen früh dafür sein mochte. Er kannte Kollegen, die bis zur Mittagszeit schon eine halbe Flasche Cognac soffen, da war er mit seinem außergewöhnlichen Appetit ein eher harmloser Fall.

    „Also gut, Frau Braun. Ich schlage vor, wir beenden unser Gespräch hier, und sie fassen sich erst einmal etwas. Vielleicht könnten Sie mit ihrem Ehemann heute Nachmittag aufs Revier kommen? Möglicherweise kann er mir mehr weiterhelfen. Ich werde in der Zwischenzeit noch einmal in die Wohnung ihres Sohnes fahren. Mal sehen, ob die Kollegen von der Spurensicherung noch etwas entdeckt haben. Ich möchte Sie ja nicht beunruhigen, aber falls sich ihr Sohn melden sollte, warnen Sie ihn davor, die Wohnung zu betreten. Wir wissen nicht, wer da gewütet hat, oder was er dort gesucht hat. Vielleicht war er nur ein Einbrecher, vielleicht wollte er aber auch ihrem Sohn an den Kragen. Solange wir nicht genau wissen, was der Typ da gesucht hat, sollte niemand die Wohnung betreten. Das Arschloch könnte

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