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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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stumm zugehört. Ohne mich zu unterbrechen, hatte er sich die gesamte Geschichte angehört. Ich wartete auf seine Reaktion. Würde er lachen, oder würde er mich dazu auffordern, doch noch die Klippen herunterzuspringen? Seine Reaktion fiel dann doch unerwartet positiv aus. Sie bestand nur aus drei Worten:
    „Wann fahren wir?“

16

    Eine Stunde später hatten wir gepackt, uns von der alten Stotterin verabschiedet, die nochmals versucht hatte mich umzustimmen, und saßen wieder in unserem VW-Bulli.

    Wir redeten, bis wir die Fähre erreichten. Manfred stellte mir tausend Fragen, doch keine zielte darauf hinaus, meinen Geisteszustand zu testen. Dass ich fremde Gedanken lesen konnte, schien ihn gar nicht weiter zu verwundern. Er wollte vielmehr wissen, welcher Art die Gedanken waren, die ich in dem Hostel aus Deutschland empfangen hatte. Doch sosehr ich auch versuchte, mich zu erinnern, mehr als dass sie dunkel und blutig gewesen waren, konnte ich ihm nicht sagen.

    Aber ich war froh, jetzt endlich etwas unternehmen zu können. Viel zu lange hatte ich die Rückreise hinausgezögert. Vielleicht war ich auch noch nicht so weit gewesen, möglicherweise musste ich erst das Erlebnis an den Cliffs haben, bevor ich zurückfahren konnte. Aber jetzt konnte ich nicht länger warten. Wer weiß, was der Koloss inzwischen für einen Mist anstellte? Er war unberechenbar, so viel wusste ich bereits über ihn. Und ich hatte die Befürchtung, bald würde ich mehr über ihn wissen, als ein gesundes Menschenhirn verkraften konnte.

    Manfred blieb wie gewohnt gelassen. Ihn konnte nichts aus der Ruhe bringen. (Außer das Essen brannte an!). Nachdem er mir die ganze Geschichte aus der Nase gezogen hatte, wollte er einen Plan machen, wie wir nun weiter vorgehen sollten. Das war gar nicht so einfach. Zu überlegen schien unser Gegner zu sein, und was fast noch schlimmer zu sein schien: wir wussten einfach zu wenig über ihn. Wir konnten uns kaum auf ihn einstellen. Es war nicht möglich, seinen nächsten Schritt zu erahnen, alles war möglich. Vielleicht war er inzwischen untergetaucht, versteckte sich vor mir. Oder er hatte seine Interessen verlagert. Vielleicht war er ja inzwischen hinter einer blinden Blumenverkäuferin her, oder hinter einem zappelnden Spastiker?

    Oder er lief einfach nur Amok.
    Wir mussten schnellstens nach Deutschland zurück, und uns ein Bild machen. Wir mussten herausfinden, welche Gedanken ich in Baltimore empfangen hatte. Eingebildet hatte ich sie mir nicht, soviel stand fest. Dass sie negativ gewesen waren, war auch klar. Aber mehr konnte ich nicht dazu sagen. Ob jemand dabei verletzt oder gar umgekommen war, ob der Koloss tatsächlich ein Opfer gefunden hatte, das wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass ich nach Hause wollte, und die Lage endlich klären musste. Ich wollte die Situation klarstellen, egal wie. Vor dem Koloss wegzulaufen, hatte sich als falsch erwiesen, es hatte alles nur unerträglicher gemacht. Jetzt mussten klare Verhältnisse geschaffen werden. Wahrscheinlich würde ich dabei draufgehen, hoffentlich nicht auch noch Manfred, oder andere Menschen aus meinem Umfeld. Obwohl es da ja nicht viele gab, die in Frage gekommen wären. Aber ich wollte diese Geschichte endlich hinter mich bringen. Der Wahnsinnige wollte mich haben, also
sollte
er mich auch bekommen!

    Ich war es doch auch selber schuld! Was kramte ich denn auch in den Gedanken von fremden Menschen herum? Hatte ich nicht schon genug mit meinen eigenen zu tun? Ich war damals aus lauter Lust am Leben die Brücke heruntergesprungen. Danach hatte ich mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt, dieselbe Brücke als Endstation meines erbärmlichen Lebens zu benutzen. Waren das nicht eher die Gedanken, die ich klären musste? Aber die fremden waren ja auch so eine schöne Abwechslung gewesen! Ich brauchte mich nicht um meine eigenen Sorgen zu kümmern, die der anderen hatten ja meine gesamte Aufmerksamkeit benötigt.

    Ein lautes Knurren lenkte mich jetzt von meinen Gedanken ab, nur dieses Mal kam mir die Ablenkung ungelegen. Mein Magen machte sich bemerkbar.

    „Hunger?“, fragte Manfred.

    Ich nickte stumm. Ich brauchte ihn gar nicht erst zu fragen. Er hatte immer Hunger. Wenn wir zu Hause das Frühstück beendet hatten, konzentrierte er sich bereits ganz auf die Vor- und Zubereitung des Mittagessens.

    „Auf den Fähren gibt es ganz gute Sandwiches, ich besorge uns gleich welche, sobald wir angekommen sind. Danach sollten wir versuchen, eine

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