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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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los, du verrücktes Tier!“, brüllte ich.
    „Lass mich endlich in Ruhe!“
    Wütend drehte ich mich um. Ich sah nicht in das unmenschliche Gesicht des Verrückten, ich blickte in die Augen des erschrockenen Manfreds.
    „Robert, mach doch keinen Mist! Was ist denn los mit dir?“

    Er hatte mich an meinen verkümmerten Beinchen gepackt. Es musste so ausgesehen haben, als ob er die Stangen einer Schubkarre festhalten würde. Einer Kinderschubkarre.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er mich zurück. Durch die Anstrengung und dem Schrecken standen ihm die Schweißperlen auf der Stirn. Er dachte, er hätte mir das Leben gerettet, doch er hatte es mir geraubt. Endlich hätte ich meine Erfüllung gefunden, wäre endlich glücklich gewesen. Jetzt ging die ganze Scheiße wieder los. Ich müsste weiterhin in meinem Rollstuhl darauf warten, dass mein Leben zu Ende ging. Ich war wütend auf ihn! Eine Möwe schoss über unsere Köpfe hinweg, und plötzlich begriff ich, warum sie Lachmöwen hießen. Sie lachte mich aus. Sie hatte mit mir gespielt, und sie hatte das Spiel gewonnen. Mit der flachen Hand schlug ich Manfred ins dicke Gesicht. Er sah mich erschrocken an, und begann zu weinen.

    Kommissar Laschek war auch zum Heulen zumute. Stundenlang hatte er sich in der Wohnung des verreisten Lümmels herumgetrieben, ohne auch nur eine brauchbare Spur finden zu können. Normalerweise fand er immer irgendetwas, doch heute hatte er kein Glück gehabt. Vielleicht lag es an seinem leeren Magen. Wahrscheinlich lenkte ihn das Knurren zu sehr ab, und er konnte sich nicht richtig konzentrieren.

    Laschek hatte mit den Knilchen von der Spurensicherung gesprochen, ohne Ergebnis. Sie hatten zwar eine Menge Fingerabdrücke gefunden, aber solange sie diese nicht mit denen des Rollstuhlfahrers und des Pflegers vergleichen konnten, waren sie unbrauchbar. Der Gerichtsmediziner hatte auch keine großen Neuigkeiten gehabt. Dass der Täter sehr kräftig gewesen sein musste, hätte auch Lascheks Oma ohne Brille erkannt. Zu deutlich waren
diese
Spuren gewesen. Man musste sich nur die demolierte Tür ansehen. Der Mörder hatte sie eingetreten, als sei sie eine Filmkulisse aus Pappe.

    Laschek hatte jede Schublade in der Wohnung durchstöbert, hatte jeden Fetzen Papier gelesen. Er hatte das Zimmer des Pflegers durchwühlt, ohne Erfolg. Der Pfleger schien sich nur für Politik und Philosophie zu interessieren. Noch nicht mal einen Krümel Haschisch hatte Laschek finden können.
    Und der Rollstuhlfahrer schien überhaupt keine Interessen zu haben. Sein Zimmer sah absolut unbewohnt aus, als ob es nur zum Schlafen benutzt wurde. Hier kam er nicht weiter, er musste woanders suchen. Aber wo? Aus der Mutter war nichts herauszubekommen. Sie war eine alte Schachtel, die weitab vom richtigen Leben existierte. Sie schien nur Gott und die Kirche im Kopf zu haben. Und vielleicht noch das Abendessen für ihren Mann. Mehr war da nicht drin. Die Frau war absolut hohl. Kaum zu glauben, dass sie einen Sohn geboren und erzogen hatte; dass sie an der Zeugung dieses Knaben aktiv beteiligt gewesen sein sollte, war fast unmöglich. Vielleicht hatte der Alte sie seinerzeit vergewaltigt? Möglich war alles. Laschek hatte schon ganz andere Sachen erlebt. Prügelnde Ehefrauen, die ihre Männer verdroschen, und Kinder, endlich erwachsen und fähig zur Rache, die ihre verkalkten Mütter an Stühle festbanden, waren da noch die harmlosesten Überraschungen.

    Er konnte es kaum noch erwarten, den Alten kennenzulernen. Vielleicht würde er dann endlich weiterkommen, in diesem ekelhaften Fall, der sogar ihm den Appetit verderben konnte. Fast.
    Laschek sah auf seine alte Armbanduhr. Bis er den Alten im Büro erwarten konnte, blieb ihm noch etwas Zeit. Zeit für ein kleines Mittagessen. Ganz in der Nähe gab es eine recht passable Imbissstube mit hervorragenden Currywürsten. Davon würde er sich eine oder zwei genehmigen, bevor er sich die Ausführungen des Anwaltes anhörte. Er kannte Anwälte nur zu gut, und er wusste, wie es ihnen gelang, ohne etwas zu sagen, Reden zu schwingen. Sie waren dabei beinahe noch schlimmer als die Politiker. Anwälte waren die überflüssigste Erfindung seit der Entwicklung von Abmagerungskuren. Sie vertraten Verbrecher vor Gericht, von denen jeder Beteiligter genau wusste, dass sie verkommende Tiere waren, die in keiner Sekunde ihre Taten bereuten. Doch Anwälte verkauften ihre Schützlinge als unglückliche Kinder, die nur deshalb auf die schiefe Bahn

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