Gnadenlose Gedanken (German Edition)
hatten sie die größte Angst, erwischt zu werden, dann konnten sie es nicht verkraften, dass niemand von ihnen Notiz nahm. Oft hatte Laschek die Akten von einem alten Fall nur wieder ausgraben müssen, weil der Täter plötzlich vor seinem Schreibtisch gestanden hatte.
Natürlich war es Laschek Recht, dass der Typ ihn begleiten wollte, am liebsten bis in die Zelle. Doch wie sollte er die nötige Verstärkung alarmieren? Er konnte ihn unmöglich alleine festnehmen. Er hatte zwar schon so manches Großkaliber eingebuchtet, aber der hier spielte in einer ganz anderen Liga als Laschek. Selbst mit Hilfe seiner Dienstwaffe, rechnete er sich keine großen Chancen gegen ihn aus. Was er brauchte, dass waren drei Mannschaftswagen mit Uniformierten, die ihre Dienstzeit auf den Trainingsmatten an der Polizeiakademie verbrachten, und erst dann Ruhe gaben, wenn sie den schwarzen Gürtel erlangt hatten.
Laschek blickte noch einmal zu Jesus hinauf, der gemütlich neben ihn her schlenderte. Vielleicht wären fünf Mannschaftswagen doch besser, als nur drei?
„Natürlich ist es ein besonders ekelhafter Fall, soviel darf ich ihnen bestimmt verraten. Doch ansonsten muss ich Sie leider auf die Pressekonferenzen im Präsidium verweisen. Dort können Sie sicher mehr erfahren, als von mir. Meine Vorgesetzten sehen es nicht gerne, wenn ich mich mit den Presseleuten unterhalte. Aber wissen Sie was? Sie sind mir irgendwie sympathisch. Ich könnte ihnen bei der nächsten Pressekonferenz vielleicht ein Exklusivinterview mit meinem Chef vermitteln. Kommen Sie einfach ein paar Minuten früher als ihre Kollegen, dann lässt sich da bestimmt etwas machen.“
Das war doch eine geniale Idee! Warum ihn nicht einfach in die Höhle der Löwen locken? Der Kerl war so verrückt, der würde bestimmt kommen!
„Das wäre wirklich sehr nett, Herr Kommissar!“
Freundschaftlich legte Jesus ihm die Hand auf die Schulter. Laschek dachte noch, was das für eine enorme Pranke war, da drückte Jesus auch schon zu, und legte kurzfristig die Blutzufuhr zu Lascheks Gehirn lahm. Laschek wurde bewusstlos, und bis zu Jesus` Haus stützte er ihn, so wie man einem alten Kumpel unter die Arme griff, der etwas zuviel an einem Glas genippt hatte.
Das Spiel ging in die zweite Runde.
17
Die Fähre wankte etwas, das Meer war heute ziemlich rau. Ich fühlte mich auf dem Wasser wohl, es war schon immer mein Element gewesen. Sollte ich einmal wiedergeboren werden, dann sicher als Delphin, oder wenigstens als Hering.
Bei Manfred sah es schon ganz anders aus. Die Hinfahrt hatte er ja noch einigermaßen gut überstanden, allerdings war es auch eine sehr ruhige Überfahrt gewesen. Heute wehte ein starker Wind, der das Meer aufwühlte und in Aufruhr brachte. Ich liebte es, wenn es so wild war und seine Stärke demonstrierte. Ähnlich wie an den Cliffs of Moher, überkam mich eine unbekannte Sehnsucht. So wie ich dort gerne mit den Möwen getauscht hätte, wäre ich heute gerne in das Meer getaucht. Wenn es an der Oberfläche bereits so wild zuging, wie mochte es erst
unter
Wasser sein? Ich hatte meinen Körper an der Reling hinaufgezogen, um ins Wasser schauen zu können. Manfred hatte sich über die Reling gebeugt, um ins Wasser kotzen zu können. Immerhin war er noch in der Lage, den Wind zu berechnen, so dass es keine unangenehmen Überraschungen gab, und das Meer Manfreds Essen postwendend zurückspuckte.
Er tat mir leid. Es fiel ihm sicher schwer, sich von seiner letzten Mahlzeit zu trennen, wo er das Essen doch so sehr liebte. Er hatte überhaupt keine Augen für die Schönheit des Meeres. Genauer gesagt, hatte er überhaupt keine Augen. Sie waren irgendwie nach oben verdreht, wollten sich das Elend, was da aus seinem Inneren kam, nicht mit ansehen. Ich wollte ihm irgendwie behilflich sein, hatte aber keine Ahnung, wie. Meine Instinkte verrieten mir, es sei das Beste, ihn einfach in Ruhe zu lassen. Vielleicht würde es ihm besser gehen, wenn er sich erst einmal so richtig verausgabt hatte.
Ich beschloss, bis zum Bug der Fähre zu fahren, um von dort zu sehen, was uns noch erwartete.
Die Fähre tanzte wild auf den Wellen, es war wie eine Achterbahnfahrt. Es war schon beeindruckend, wie der Kapitän den Kahn manövrierte. Wie konnte man einen tonnenschweren Körper, der nur aus Stahl bestand, eigentlich durch solch ein Wetter lenken, ohne in eine Katastrophe zu steuern?
Das würde ich vielleicht bald herausfinden, denn ich sah ein anderes Schiff auf uns
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