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Gnadenthal

Gnadenthal

Titel: Gnadenthal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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sauer.»
    «Lass stecken.»
    «Wie du meinst. Aber glaub mir, auch wenn ich ein paar Tage nicht im Lande war, habe ich die Sache im Griff.»
    «And the fans shout hooray …»
    Frieder lachte rau. «Das wollen wir doch hoffen.»

Zweiter Teil

Acht
    Der Parkplatz am Schloss war bis auf den Lieferwagen einer Getränkehandlung leer. Er schien also der Erste zu sein, das war ihm ganz recht so.
    Das Wetter war immer noch ungewöhnlich warm und klar für Anfang Oktober, und er hatte früh Schluss gemacht im Laden, um in der Abenddämmerung einen friedlichen Spaziergang durch den Park machen zu können, bevor man sich beim gemeinsamen Abendessen wieder neu beschnupperte.
    Haferkamp nahm Schultertasche und Koffer und bog um die Ecke zum Haupteingang. Im Haus des Barons, das ein Stück zurückgesetzt auf der rechten Seite lag, wurden gerade die Lichter eingeschaltet, und er erhaschte einen Blick auf den alten Mann, ehe sich die Vorhänge schlossen. Der Baron war einer seiner treuesten Kunden, und sie hatten schon so manches Mal freundschaftlich die Klingen gekreuzt. Der Mann war über achtzig, aber geistig noch beweglich und wach. Jahr für Jahr reiste er zur Buchmesse nach Frankfurt, und Haferkamp freute sich immer darauf, wenn er hinterher zu ihm in den Laden kam, um sich über die verschiedenen Autoren, die er gehört hatte, auszulassen.
    Das dreihundert Jahre alte Gnadenthal war seit Beginn des 19. Jahrhunderts im Familienbesitz. Zum Anwesen gehörten große Ländereien, die der Baron allesamt verpachtet hatte, ebenso wie das Schlossgebäude selbst, das schon seit vierundzwanzig Jahren von einer gemeinnützigen Organisation als Tagungszentrum betrieben wurde. Genauso lange schon traf sich die ‹13› hier, sie waren gewissermaßen Stammgäste der ersten Stunde.
    Aus der Ferne wirkte das Schloss prachtvoll, aber bei näherer Betrachtung wurde schnell deutlich, dass man über beträchtliche Mittel verfügen musste, um das Gebäude in Schuss zu halten. Über die Jahre war an allen Ecken und Enden restauriert und renoviert worden, dafür sorgte wohl auch der Denkmalschutz. Haferkamp betrachtete die hohen, schmalen Sprossenfenster, deren weiße Lackierung Blasen warf und blätterte. Hier würde ein frischer Anstrich nicht genügen, das Holz war verzogen und morsch.
    Die Küchenfenster waren weit geöffnet, und ihm stieg der Duft von frisch gebackenem Brot in die Nase, Vollkorn vermutlich.
    Er schmunzelte.
    In der ersten Jahren war die Küche hier rein vollwertig gewesen, vegetarisch, makrobiotisch, wie auch immer man es damals genannt hatte. Das war einer der Gründe, warum sich die ‹13› gerade für diesen Treffpunkt entschieden hatte.
    In den Achtzigern waren sie alle mehr oder weniger auf dem Öko-Trip gewesen, ein paar von ihnen mit großem Sendungsbewusstsein. Sie tranken nur Wein aus ökologischem Anbau, gleichgültig, wie scheußlich er schmeckte, an Cola nur zu denken kam einer Todsünde gleich, und Weißmehl und raffinierter Zucker waren des Teufels.
    Diese moralische Keule hatte ihn schnell von seinem Ausflug in die «gesunde» Ernährung geheilt, und er hatte angefangen, Mettwürste und Brie, Baguettes und fettgelbe Butter in Gnadenthal einzuschmuggeln. Später war Johanna mit selbst gebackenen Törtchen eingestiegen, und es hatte schließlich damit geendet, dass sich alle zu mitternächtlichen «verbotenen» Gelagen getroffen hatten.
    Heute gehörte keiner von ihnen mehr zur Körnerfraktion, und auch auf der Speisekarte in Gnadenthal standen neben Puristischem inzwischen ganz normale Gerichte. Er rümpfte die Nase. Die Leute hier gaben sich gewiss Mühe, aber man schmeckte doch die Großküche heraus.
    Haferkamp zog die Haustür auf. Nichts hatte sich verändert. So hochherrschaftlich das Haus von außen wirkte, innen hatte es den Charme einer Jugendherberge der Siebziger, darüber konnten auch der Mosaikboden im Flur und der große Salon mit seiner Stuckdecke und den französischen Fenstern zum Park nicht hinwegtäuschen. Hoffentlich erwischte er diesmal wenigstens ein einigermaßen bequemes Bett.
    Die junge Frau an der Rezeption kannte er nicht. Sie hatte schlecht gefärbtes Haar und einen boshaften Zug um den Mund.
    Er grüßte. «Ist denn Frau Lamers heute nicht da?»
    «Frau Lamers ist im Ruhestand», gab die Frau recht schnippisch zurück.
    «Das ist schade», sagte er, dann zeigte er auf sein Gepäck. «Ich gehöre zu der Kabarettgruppe, die heute Abend eincheckt. Kann ich meinen Koffer bei Ihnen

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