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Gnadenthal

Gnadenthal

Titel: Gnadenthal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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hatte sie dann Joseph kennen gelernt, Dramaturg am ‹Thalia›, rasch hintereinander vier Kinder bekommen und auf die große Karriere gepfiffen. Die anderen Mädels hatten die Nase gerümpft und ihr ins Gewissen geredet, sich doch «nicht einfach so wegzuwerfen», aber Johanna hatte das nicht geschert. Sie war mit ihrer Bande kreuz und quer durch die Republik gezogen, immer Josephs Engagements hinterher, hatte in irgendwelchen alten Häuschen gewohnt, Hauptsache die Miete war günstig, und ein großer Garten gehörte dazu. Den größten Teil ihrer Zeit verbrachte sie damit, das jeweilige Heim malerisch einzurichten und die Gärten in Rosenparadiese zu verwandeln. Viele Jahre lang war ihre Arbeit bei der ‹13› die einzige Verbindung zu ihrem eigentlichen Beruf gewesen. Erst seit ihre Kinder aus dem Haus waren und Joseph eine feste Stelle als Intendant hatte, nahm sie hin und wieder Aufträge von kleineren Bühnen an, aber sie schien sich nicht darum zu reißen.
    Haferkamp schob die Urlaubsfotos zusammen und legte sie in den Karton zurück.
    Er mochte Johanna sehr, aber es gab auch immer eine gewisse Scheu zwischen ihnen.
    Fast ein Jahr lang hatte sie jeden seiner Tagträume erfüllt. Er war so scharf auf sie gewesen, dass es schmerzte, aber als er sich dann in der Bretagne endlich getraut hatte, sich ihr zu nähern, war das große Feuerwerk ausgeblieben. Was wäre wohl gewesen, wenn es damals mit ihnen geklappt hätte?
    Die Glocke im Laden schlug an, und kurz darauf hörte er Frau Moor laut kichern, dann eine wohl bekannte Stimme. Leise trat Haferkamp auf die Galerie und spähte zu dem Mann hinunter, der am Tresen stand.
    Wie immer im Anzug – heute stahlgraues Leinen über einem kragenlosen, schwarzen Hemd, dazu italienische Slipper –, aber der lange Zopf und die Kontaktlinsen waren verschwunden, stattdessen war sein grau meliertes Haar kurz geschoren, und er trug eine hauchfein gefasste Brille. Er war noch schlanker geworden, sein Gesicht noch kantiger.
    Aber es war zweifellos Frieder, der dort unten an der Kasse mit Frau Moor scherzte und ihr ein breites Lächeln schenkte.
    «Was ist, Moorchen, hat der gute Martin sich in seinem Kabuff eingeigelt?»
    «Nein, hat er nicht!» Haferkamp lief die Treppe hinunter.
    Frieder fuhr zu ihm herum. «Martin, grüß dich!» Das Lächeln blieb. «Immer noch gut im Saft, wie ich sehe.»
    «Danke, ich kann nicht klagen.» Haferkamp grinste. «Neuer Look?»
    «Musste mal sein», antwortete Frieder. «Die Konkurrenz schläft nicht.» Damit holte er einen dünnen Zigarillo aus der Jackentasche, ließ sein Zippo aufflippen und zündete ihn an.
    «Gibt’s hier irgendwo einen Aschenbecher, Moorchen?»
    Die schaute ihren Chef unsicher an, aber Haferkamp nickte. «Geht schon in Ordnung, eine Untertasse tut’s auch. Wir gehen rüber an die Kaffeebar und halten Sie nicht länger von der Arbeit ab.»
    Frieder folgte ihm in die Nische neben der Heimatliteratur. «Für mich bitte schwarz.»
    Haferkamp füllte zwei Becher. «Und was führt dich nach Kleve?»
    «Ich habe ein paar Kisten Schampus nach Gnadenthal gebracht.» Er zwinkerte. «Es gibt nämlich was zu feiern.»
    «Ja, das ist mir schon zugetragen worden.»
    «Ach?» In Frieders Augen blitzte Verärgerung auf. «Hat Heinrich seinen Mund nicht halten können?»
    Haferkamp schüttelte leicht den Kopf. «Glückwunsch.»
    «Phantastisch, nicht wahr?» Frieder lächelte wieder.
    «Überraschend. Trotzdem Glückwunsch.»
    «Man dankt. Sag mal, wann machst du heute hier Schluss?»
    «Nicht vor halb neun. Wieso?»
    «Ach, ich dachte, wir könnten zusammen einen Happen essen gehen. Vielleicht kann ja deine Mitarbeiterin …»
    «Nein», fiel ihm Haferkamp ins Wort, «die muss in den nächsten Wochen schon genug Überstunden machen.»
    Frieder lehnte sich mit gekreuzten Beinen gegen die Wand und nippte an seinem Kaffee.
    «Na gut, ich bin ohnehin knapp mit der Zeit. Hansjörg will unbedingt heute noch was mit mir besprechen, unter vier Augen.»
    Haferkamp zog fragend die Brauen hoch.
    Frieder griente. «Ich fürchte, der Gute hat sich als Texter versucht, aber mal schauen. Du bist mit den Fotos ein wenig im Verzug, habe ich gehört …»
    «Eigentlich nicht», gab Haferkamp leichthin zurück. «Sie gehen übermorgen per Kurier raus.»
    «Fein, dann klappt ja alles. Und unsere Autorencrew war auch schon richtig fleißig, sagt Dagmar. Find ich prima.»
    «Na, das freut mich aber.»
    Frieder hob das Kinn. «Schon klar, Martin, du bist

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