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Gnadenthal

Gnadenthal

Titel: Gnadenthal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Seite und breitete die Fotos aus.
    Die Bilder von der letzten gemeinsamen Urlaubsreise wollte er sofort beiseite legen, aber er blätterte sie dann doch durch.
    Ein paar Tage an der holländischen Küste in der Nähe von Vlissingen. Zu mehr hatte ihr Geld in jener Zeit nicht gereicht. Kai und Bettina waren die Einzigen gewesen, die eine feste Anstellung gehabt hatten, alle anderen hatten sich mit befristeten Jobs mehr schlecht als recht über Wasser gehalten. Bis auf Frieder natürlich, der in Düsseldorf Karriere machte, aber der verbrachte seine Urlaube lieber auf Gomera oder La Palma.
    Von dem, was sie mit dem Kabarett verdienten, war nie viel übrig geblieben. Wenn man die Gage durch dreizehn teilte, blieb sowieso nur ein kleiner Gewinn für jeden, den man für ein schönes Abendessen oder eine Kiste Wein ausgab. In den ersten Jahren hatte jeder den gleichen Betrag erhalten, aber dann hatte Frieder einen komplizierten Verteilungsschlüssel ausgearbeitet. Dabei kamen die Autoren und Hartmut als Komponist am besten weg, der zweithöchste Betrag stand den Schauspielern zu, und der kleinste Batzen ging an den Beleuchter, die Maske, das Bühnenbild und an Walterfang natürlich für sein unermüdliches Wirken. Aber nun denn, um Geld war es bei der Geschichte ohnehin niemandem gegangen.
    Beinahe den ganzen Hollandurlaub hindurch hatte es geregnet, aber sie waren dennoch jeden Tag in ihren Friesennerzen tapfer zu langen Strandwanderungen aufgebrochen.
    Hier duckten sie sich unter dem Vordach einer Fischbude, verschlangen Matjes mit uitjes .
    Eine rundliche Dagmar und ein strahlender Rüdiger. Das Unternehmen Großfamilie war endlich auf den Weg gebracht. Der große Traum: vier Kinder mindestens, das schöne alte Haus mit dem großen Garten, Katzen und Schafe und ein Hund.
    Ihn hatte es ein wenig geschüttelt bei so viel Sirup, aber Dagmar war so glücklich gewesen.
    Keine vier Wochen später hatten sie um ihr Leben gebangt. Eileiterschwangerschaft, Notoperation. Es hatte Monate gedauert, bis sie sich davon erholt hatte.
    Und dann all die Jahre der vergeblichen Versuche, Monat für Monat die Enttäuschung.
    Anfangs hatte ihn ihre Zähigkeit beeindruckt, aber als die Zeit ins Land ging und Dagmar immer in sich gekehrter wurde, hatte ihn die Wut gepackt, und er hatte ihr vorgeworfen, dass sie sich selbst nicht mehr wertschätze. Sie hatte dazu genickt: «Wie denn auch?», und sich danach völlig von ihm zurückgezogen. Das war ihm ganz recht gewesen, er wollte nicht zuschauen, wie sie unter Rüdigers wachsender Bitterkeit immer unsichtbarer wurde.
    Wann waren sie einander wieder näher gekommen?
    Trotz des rosaroten Familienglücks waren es keine unbeschwerten Ferientage gewesen. Es hatte sie alle bedrückt, wie sehr sich Sibylle nach Klaus’ Tod verändert hatte. Wie unter einem Zwang erfand sie sich alle paar Monate neu, wurde überkandidelt und manchmal seltsam zotig, dann wieder konnte sie in Selbstmitleid ertrinken. Es war sehr schwer gewesen, mit ihr auszukommen, und ihn hatte es in jenem Sommer am härtesten getroffen. Ständig hatte sie sich an seine Fersen geheftet, ihm Psychogespräche aufgezwungen und sich ihm angeboten wie eine reife Frucht. Alles gipfelte in einer Szene, bei der ihm auch heute noch, wenn er sich daran erinnerte, ganz flau wurde.
    Er hatte, angenehm berauscht vom Genever, tief und fest geschlafen, als ihn ein schreckliches Kreischen geweckt hatte. Und da saß Sibylle splitternackt in seinem Bett und hielt sich die blutende Nase. «Du brutales Schwein!»
    Am nächsten Morgen war sie abgereist, ohne auch nur ein Wort mit irgendwem zu wechseln.
    Haferkamps Miene hellte sich auf, als er das nächste Foto betrachtete: Drei Kinder wuselten zwischen den Dünen herum – die ersten ‹13›-Sprösslinge. Kais und Bettinas Eva musste ungefähr vier gewesen sein, ein aufgewecktes kleines Ding, aber für seine Vorstellungen ein wenig zu angepasst, zu brav. Er hatte mehr Spaß an Johannas beiden Jungen gehabt, pfiffigen Kerlchen, der jüngere, gerade mal drei, hatte es faustdick hinter den Ohren gehabt und nicht nur seine Mutter den ganzen Tag auf Trab gehalten.
    Haferkamp stützte das Kinn auf die Hand. Johanna war immer ein wenig anders, besonders gewesen. Ursprünglich hatte sie Englisch und Kunst studiert, war dann aber zum Theater gegangen und hatte eine Ausbildung zur Bühnenbildnerin gemacht. Ihr Talent war früh entdeckt worden, und sie hatte schon bald für große Bühnen gearbeitet. In Hamburg

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