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Gnadenthal

Gnadenthal

Titel: Gnadenthal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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einstellen, bis die anderen da sind? Ich würde gern einen Spaziergang machen, bevor es dunkel wird.»
    «Wie war gleich Ihr Name?»
    «Haferkamp», gab er ungeduldig zurück.
    «Ah ja … richtig. Sie sind in Zimmer 115, Herr Haferkamp.»
    Er runzelte verständnislos die Stirn. «Aber wir teilen die Zimmer erst auf, wenn alle angekommen sind.»
    «Davon weiß ich nichts, tut mir Leid. Ein Herr Seidl hat die Zimmer gebucht, und ich kann Ihnen nur sagen, was hier steht: Sie haben Zimmer 115.»
    Verärgert streckte er die Hand aus. «Dürfte ich bitte mal sehen …», er warf einen Blick auf ihr Namensschild, «… Frau Peters?»
    «Tut mir Leid.» Sie klappte das Buch zu. «Datenschutz, Sie wissen schon.»
    Ihr nachsichtiger Ton brachte ihn noch mehr auf, aber bevor er etwas erwidern konnte, legte sich ihm eine Hand auf die Schulter.
    «Hallöchen!» Heinrich Walterfang.
    Haferkamp wich einen Schritt zurück. «Du bist auch schon da?»
    «Schon seit heute Mittag. Ich hatte eine Mitfahrgelegenheit bis Emmerich, und von da aus habe ich den Bus genommen.» Walterfangs Miene bewölkte sich. «Dagmar hatte angeblich keine Zeit, mich abzuholen.»
    «Wundert dich das? Coesfeld liegt ja nicht gerade auf ihrem Weg. Das hätte sie mindestens eine Stunde gekostet.»
    «Schon klar. Ist bloß komisch, früher war das nie ein Problem.»
    «Früher haben wir auch alle noch nicht so viel arbeiten müssen.» Haferkamp schulterte seine Tasche. «Was soll eigentlich der Blödsinn mit den fest reservierten Zimmern?»
    Walterfang grinste schief. «Frieder fand das wohl besser so, spart Zeit. So was nennt man Timemanagement, glaube ich.»
    «So was nennt man … ach, vergiss es!»
    Haferkamp nahm den Schlüssel an sich, den Frau Peters auf den Tresen gelegt hatte. «Bis später.»
    Die geschnitzte Treppe, die zu den Zimmern hinaufführte, hatte einen neuen Anstrich bekommen, ein kühl glänzendes Hellgrün, aber die ausgetretenen Stufen waren immer noch unterschiedlich hoch und knarrten nach wie vor. Auf dem Flur oben war es schummrig, er tastete nach dem Lichtschalter. Zimmer 115 lag gleich neben der Etagendusche.
    Im zweiten Stock gab es ein paar Zimmer mit eigenem Bad, aber die hatten sie noch nie gebucht, obwohl sie es sich längst hätten leisten können. Die ‹13› im ersten Stock – spartanische Zimmer, Gemeinschaftsklo und -bad – war Tradition, ebenso wie das gemeinsame Verhandeln darüber, wer sich mit wem ein Doppelzimmer teilte und wer in einem Einzelzimmer unterkam.
    Er war gespannt, was wohl die anderen zu der neuen Regelung sagen würden.
    115 war ein Einzelzimmer. Er schaltete die Deckenleuchte ein. Ein schmales Kastenbett aus hellem Holz, ein Schrank, ein Tisch, ein Stuhl. Haferkamp legte Tasche und Koffer aufs Bett und steckte sich Zigaretten und Feuerzeug in die Jackentasche. Auspacken konnte er später noch, erst einmal brauchte er frische Luft.
    Als er ins Freie trat, hörte er Autos auf den Parkplatz rollen und wandte sich rasch in die entgegengesetzte Richtung. Er folgte dem Weg am Wassergraben entlang, der den Schlosspark umgab, bis zur Brücke am alten Taubenhaus mit dem Pagodendach, dessen Schieferschindeln in der Abendsonne glänzten. Die Luft war schwer und süß.
    Er ging über die Brücke und ließ den Blick über die Ebene schweifen. Holprige Feldwege führten durch Äcker und Wiesen, die von Wässerungsgräben durchzogen waren. Hie und da Baumreihen und kleine Wäldchen, unberührt.
    Wolken schoben sich vor die Sonne, ein Schwarm Saatkrähen stob auf und formierte sich.
    Er zündete sich eine Zigarette an und bog in den überwucherten Pfad ein, der in die eigentliche Parkanlage führte. Rechter Hand wurde der Weg von einer Buchenhecke begrenzt, die seit vielen Jahren nicht mehr beschnitten worden und zu bizarren Baumgebilden ausgewachsen war.
    Es roch modrig, satt, kühle Feuchtigkeit stieg vom Boden auf.
    Das Licht schwand nun schnell, aber er konnte doch die kleinen Skulpturen ausmachen, die überall im Park auf halb hohen Stelen standen. Davon hatte er in der Zeitung gelesen. Jemand hatte Kunstwerke aus Simbabwe gesammelt, und demnächst irgendwann würde es hier eine Ausstellungseröffnung geben.
    Als er auf die Rasenfläche mit ihren mächtigen, jahrhundertealten Laubbäumen kam, lag das Schloss in seiner ganzen brüchigen Pracht vor ihm. Die erleuchteten Fenster spiegelten sich im dunklen Teich.
    Er trat gegen einen Maulwurfshügel, strauchelte und fiel hart auf die Knie.
    So viel zum Thema

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