Gnadenthal
unverkrampften Plauderei.
«Er war ein Ladykiller», sagte Johanna, als sie endlich bei Frieder angelangt waren, «und in der Anfangszeit waren die Mädels, glaube ich, alle mehr oder weniger in ihn verknallt.»
Beate wurde blutrot und bückte sich schnell, um ein Taschentuch aus ihrer Handtasche zu nehmen.
«Aber das hat sich rasch gelegt. Wenn man hart miteinander arbeitet, nutzt sich die Romantik schnell ab. Und das mussten wir nach dem Studium eigentlich immer, wenn wir zusammen waren – hart arbeiten, meine ich –, weil wir ja nur diese wenigen Wochen im Jahr hatten, um ein ziemlich großes Programm auf die Beine zu stellen.»
Hatte es Animositäten gegeben, größere Zerwürfnisse? Dreißig Jahre waren schließlich eine lange Zeit.
«Das sind irgendwie die falschen Vokabeln …» Johanna sah nachdenklich an Toppe vorbei. «Es gab natürlich die üblichen Eifersüchteleien unter den Autoren bei der Frage, wessen Text ins Programm genommen werden sollte.»
«Ja», bestätigte Beate lächelnd, «und jedes Jahr den gleichen Ärger unter den Schauspielern, wenn Frieder wieder einmal seine Partner an die Wand spielte. Er ist nämlich verdammt gut, und manchmal vergisst er, dass außer ihm noch andere auf der Bühne stehen.»
«Gab es jemals körperliche Übergriffe?»
Toppe schien zu bemerken, dass so etwas völlig undenkbar schien, denn er schlug rasch eine andere Richtung ein.
«Ich würde gern etwas über Frieder Seidl außerhalb des Kabaretts erfahren, über sein berufliches und privates Leben.»
Diesmal war es Hartmut Stollner, der antwortete. «Er hat Wirtschaftswissenschaften studiert, aber während des Studiums hat er bereits ab und an in Werbeagenturen gejobbt. Soweit ich weiß, hatte er sogar eine Zeit lang eine eigene kleine Agentur. Jedenfalls ist er direkt nach dem Examen bei einer Düsseldorfer Werbeagentur eingestiegen und dort stetig die Leiter hinaufgeklettert. Vor sieben, acht Jahren hat sich sein Seniorpartner zur Ruhe gesetzt, und Frieder hat den Laden ganz übernommen. Er muss wohl ganz gut verdient haben, denn soweit ich weiß, kam er nicht aus einem begüterten Elternhaus.» Er sah die beiden anderen an.
Johanna zog die Schultern hoch. «Frag mich nicht. Was das angeht, war Frieder immer sehr zugeknöpft.»
«Stimmt», bestätigte Beate. «Ich habe mir vorgestellt, dass Frieder aus ganz einfachen Verhältnissen kommen muss und sich dafür geschämt hat. Jedenfalls hat er das ganze Studium hindurch den vollen BaföG-Satz gekriegt, das weiß ich genau.»
Toppe fragte noch einmal nach Seidls Privatleben.
«Wie Johanna schon sagt, ein echter Frauentyp», sagte Stollner. «Er wechselt die Freundinnen … na ja, für meine Begriffe, zu häufig … aber Gott, ich bin nicht das Maß aller Dinge.»
«Dann kennt er seine jetzige Frau wohl noch nicht lange. Was können Sie mir über sie erzählen?»
«Patricia? Pff, wie lange werden die zusammen sein? Nicht viel länger als ein Jahr, würde ich sagen. Vorher lag sie ja fast noch in den Windeln. Sie ist fast fünfundzwanzig Jahre jünger als er. Aber sie ist nicht seine Frau.»
«Doch, doch», meinte Toppe. «Sie haben vor ein paar Wochen geheiratet, und sie erwartet ein Kind.»
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, dann gab Beate so etwas wie ein Prusten von sich. «Ist das zu fassen? Über andere hat er sich jahrelang lustig gemacht, von wegen Muttertier und Familienochse.»
Toppe wechselte das Thema, und damit änderte sich auch sein Ton. Johanna setzte sich unwillkürlich aufrechter hin.
«Gestern spät am Abend hat es in der Gruppe einen heftigen Streit gegeben. Was wissen Sie darüber? Kennen Sie den Anlass?»
«Nein», antwortete Johanna langsam, «wir sind doch gerade erst angekommen.»
«Hat nicht Maria eben etwas davon gesagt, dass Frieder gestern Abend eine Bombe hat platzen lassen?», fiel es Beate wieder ein.
«Ja, aber sie hat nicht gesagt, welche.»
«Bei dem Streit ist es anscheinend um eine Fernsehsendung gegangen», fuhr Toppe fort, «und um Fernsehrechte. Können Sie sich darauf einen Reim machen?»
«Da kann es nur um den WDR gegangen sein», sagte Stollner. «Der Sender will zu unserem Jubiläum ein Feature über uns zusammenstellen und die Premiere live mitschneiden. Von anderen Fernsehsachen weiß ich jedenfalls nichts.»
Toppe sah nicht sonderlich zufrieden aus.
«Dann ging es in dem Streit noch um einen Namen, der geschützt werden sollte.»
Die drei schauten sich ratlos an und
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