Gnadenthal
sie, «ich war noch bis nach eins hier.»
«Wie kann dat denn?»
«Hab ich doch schon gesagt, die ‹13› sind mir ans Herz gewachsen, fast wie meine Kinder. Ich freue mich immer schon das ganze Jahr drauf, wenn die wieder kommen. Aber dieses Mal waren die irgendwie so komisch, ganz anders als sonst, und die Stimmung, die war irgendwie … elektrisch, ich weiß auch nicht …»
Ackermann sah ein bisschen hilflos aus, deshalb sprach sie weiter. «Außerdem haben die auf einmal gesoffen wie die Löcher. Ich meine, die haben sonst auch schon gern mal einen gezischt, aber doch nicht so, als gäb es kein Morgen.»
«Und was ist gestern Abend passiert?»
Sein plötzliches Hochdeutsch irritierte sie, und sie musste sich sammeln. «Ach, die waren alle irgendwie neben sich, schon vor dem Abendessen. Und als meine Küchenmädels gegangen sind, hab ich gedacht: Bleib besser noch hier, da ist was im Busch. Also habe ich angefangen, für heute zu backen, und zwischendurch bin ich immer mal gucken gegangen, was bei denen los ist, oder besser, horchen gegangen. Zu Hause wartet keiner auf mich. Mein Mann ist tot.»
Ackermann nickte und wartete.
«Ja, also schön war die Party nicht. Sie haben sich die Birne zugesoffen, und irgendwann um zwölf rum, als ich gerade die ersten Brote aus dem Ofen geholt habe, wurde es mit einem Mal laut bei denen. Ich meine, die sind öfter laut, aber gestern war das kein Spaß.»
«Un’?» Der Kripomann wurde ungeduldig.
«Nun ja, so genau habe ich nicht alles mitgekriegt. Das hat ewig gedauert. Es ging jedenfalls um Frieder Seidl und irgendwelche Fernsehrechte und eine Sendung, ach ja, und um einen Namen, der geschützt ist oder geschützt werden soll. Kann ich mir auch keinen Reim drauf machen. Ich konnte nicht alles verstehen, weil alle durcheinander gebrüllt haben … Und dann ist Sibylle Langenberg auf die Patricia losgegangen. Ich glaube, die haben sich richtig gekloppt. Und Sibylle hat die ganze Zeit was von einem Klaus geschrien, dabei heißt keiner von denen Klaus.»
Ackermann schrieb wie wild.
«Dann sind die Männer dazwischen gegangen, und es wurde ruhiger. Aber nicht für lange, bloß ein paar Minuten, und auf einmal ist die Dagmar durchgedreht …»
Der Polizist hielt im Schreiben inne. «Dagmar, dat is’ jetz’ wer?»
«Dagmar Henkel, die Frau von Rüdiger. Ich glaube, die hat dem Frieder eine geschallert. Es gab eine kurze Pause, und dann sagte Patricia – warten Sie, das weiß ich noch genau – die sagte: ‹Mir reicht’s. Regel du deinen Mist hier. Das ist nicht mein Problem. Ich fahre nach Hause.› Da habe ich natürlich gemacht, dass ich wegkam, ich wollte mich ja nicht erwischen lassen.»
«Un’ wat is’ dann passiert?»
«Keine Ahnung. Ich hatte die Nase voll, und ich war auch müde. Ich hab noch die Küche aufgeräumt, und dann hab ich mich auf meine Fiets gesetzt und bin nach Hause gefahren. Ach ja, da war noch was. Martin Haferkamp war bei dem Krach nicht dabei. Der stand oben an seinem Zimmerfenster und hat geraucht, als ich fuhr. Bin froh, dass er mich nicht gesehen hat.»
«Aber die anderen waren all’ dabei? Bei dem Krach im Salon, mein ich.»
«Ich schätze schon, aber beschwören kann ich das nicht.»
Haferkamp beobachtete, wie die Uniformierten nacheinander aus dem Park kamen und sich am Teich sammelten. Anscheinend hatten sie die Tatwaffe nicht gefunden, aber inzwischen war es wahrscheinlich für eine weitere Suche zu dunkel geworden.
Er sah Toppe und Steendijk an der Rezeption stehen, fasste sich ein Herz und ging zu ihnen. «Das sieht nach Feierabend aus», sagte er und probierte ein Lächeln.
Die Steendijk seufzte. «Schön wär’s.»
«Gibt es etwas Neues?»
«Nichts von Bedeutung», antwortete Toppe, «zumindest nicht auf den ersten Blick. Einen Moment bitte», entschuldigte er sich und ging in den Saal, wo die anderen immer noch warteten. «Wir haben von den meisten von Ihnen ein paar Kleidungsstücke zur labortechnischen Untersuchung mitgenommen. Sie bekommen sie morgen wieder zurück.»
Haferkamp zuckte zusammen. Hatten sie etwa Blutspuren gefunden? Was bedeutete ‹von den meisten von Ihnen›? Waren es mehrere gewesen? Ein Femegericht? Blödsinn! Die anderen waren genauso verwirrt wie er.
Ackermann kam aus der Küche. «Chef, ich hätt da wat Wichtiges», rief er.
Toppe wiegelte ab. «Wir müssen uns sowieso noch im Präsidium zusammensetzen. Hat das Zeit bis dahin?»
«Glaub wohl», antwortete Ackermann
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