Gnadentod
Sein Gesicht hatte eine ungesunde Röte angenommen. Ich stand drei Stufen unter ihm, und er wollte wahrscheinlich nicht auf mich hinunterstarren. Trotzdem erschien es genauso - sein massiger Rumpf ragte über mir auf, und seine Wut schien geradezu greifbar. Das Treppenhaus war heiß, grau, durchdrungen von dem stechenden Stahl-und-Schweiß-Aroma eines Highschool-Korridors.
»Ob ich es genauso gemacht hätte?«, sagte er. »Ja, es war eine Anweisung. Aber ich hätte es nicht vor deinem Haus getan. Also bitte. Ich hab mehr als genug zu tun.«
»Prima«, sagte ich, obwohl meine Stimme alles andere als prima klang. »Aber du musst mich auch verstehen. Ich habe den Gesichtsausdruck seiner Kinder gesehen. Was zum Teufel sollte denn diese Eile? Was hat Richard getan?«
Er atmete hörbar aus. »Dass seine Kinder aus dem Gleichgewicht gebracht wurden, ist das geringste seiner Probleme. Er steckt in echten Schwierigkeiten, Alex.«
Mein Magen hob sich. »Wegen Mate?«
»Allerdings.«
»Was zum Teufel hat sich denn in den letzten zwei Stunden geändert?«, sagte ich.
»Was sich geändert hat, ist, dass wir Beweise gegen Doss haben.«
»Was für Beweise?«
Er schob einen Finger unter seinen Hemdkragen. »Wenn du ein Wort darüber verlierst, käme das meiner Enthauptung gleich.«
»Das möge der Himmel verhüten«, sagte ich. »Ohne Kopf könntest du nicht essen. Komm schon, was hast du gegen ihn in der Hand?«
Er setzte sich auf die oberste Stufe. »Was ich gegen ihn in der Hand habe, ist ein netter Bursche namens Quentin Goad, der im County-Gefängnis sitzt und auf einen Prozess wegen bewaffneten Raubüberfalls wartet.«
Er fischte ein Verbrecherfoto aus seiner Tasche, auf dem ein untersetzter Weißer mit rasiertem Schädel und schwarzem Spitzbart abgebildet war.
»Sieht wie ein Teufel mit Übergewicht aus«, sagte ich.
»Wenn Quentin nicht 7-Eleven-Läden überfällt, arbeitet er auf dem Bau - hauptsächlich als Dachdecker. Er hat schon oft für Mr. Doss gearbeitet - offenbar beschäftigt Mr. Doss gerne Knackis und bezahlt sie schwarz, um Steuern zu sparen, was uns einiges über seinen Charakter verrät. Goad behauptet, er hätte vor zwei Monaten am Dach eines Bauvorhabens draußen in San Bernardino gearbeitet - ein großes Einkaufszentrum, das Doss billig gekauft hat und nun renoviert -, als Doss an ihn herangetreten sei und ihm fünftausend Dollar angeboten hätte, wenn er Mate töten würde. Er hat ihm gesagt, er solle eine scheußliche, blutige Angelegenheit daraus machen, damit jeder glaubt, es sei ein Serienmörder gewesen. Er hat Goad einen Tausender als Vorschuss gegeben und ihm weitere vier versprochen, wenn der Job erledigt wäre. Goad sagt, er habe die Knete genommen, aber nie vorgehabt, Ernst zu machen; für ihn sei es nichts als eine prima Methode gewesen, um Doss übers Ohr zu hauen und mit einem Riesen in der Tasche aus der Stadt zu verschwinden. Er hatte sowieso nach Nevada gehen wollen, weil er in Kalifornien bereits wegen zwei Straftaten verurteilt worden war und ihn das nervös machte.«
»Du brauchst nicht weiterzureden«, sagte ich. »Bevor er ging, hat er beschlossen, noch eine Abschiedsparty zu veranstalten.«
»Vor einem Monat, ein Hamburger-Laden in San Fernando, spät in der Nacht, kurz bevor er zumachte. Mr. Goad, eine .22er, eine Papiertüte und eine Beute von achthundert Dollar. Goad hatte den Jungen an der Theke schon mit dem Gesicht auf dem Boden und das Geld in der Tasche, als der Mann vom Sicherheitsdienst aus dem Nichts auftauchte und ihn niederstreckte. Schuss ins Bein. Fleischwunde. Goad hat zwei Monate im County General Hospital verbracht, mit kostenloser medizinischer Versorgung, dann hat man ihn in die Twin Towers verlegt. Die .22er war nicht mal geladen.«
»Dann muss er jetzt mit einer lebenslänglichen Haftstrafe rechnen und versucht, seine Verhandlungsposition für einen Deal mit dem Staatsanwalt zu verbessern, indem er Richard ans Messer liefert. Er behauptet, Richard hätte ihm vor zwei Monaten Geld gegeben, und es wäre ihm egal gewesen, dass er keine Ergebnisse vorzuweisen hatte. Geduld gehört nicht zu den starken Seiten des Richard, den ich kenne.«
»Doss hat durchaus nachgehakt, so ist es nicht. Nach drei Wochen wollte er einen Bericht über die Fortschritte sehen. Goad hat ihm gesagt, so etwas müsse perfekt geplant werden, er beobachte Mate und warte auf die richtige Gelegenheit.«
»Hat er das getan?«
»Er sagt nein. Die ganze Sache sei ein Beschiss
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