Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
auf der Haut…
    Wo war Donny Salcido Mate, selbst ernannter Rembrandt des Fleisches? Die Anatomie des Dr. Tulp. Wir wollen aufschneiden und lernen.
    Wir wollen Daddy aufschneiden? Weil wir Daddy hassen, aber gleichzeitig wie er sein wollen? Warum konnte er es nicht sein. Er sollte es sein.
    Dann fiel mir Guillerma Mate wieder ein, wie sie neben dem Wandschrank in dem schäbigen kleinen Motelzimmer gestanden hatte, erstarrt, als ich sie nach ihrem einzigen Kind gefragt hatte. Vielleicht war der Glaube sein eigener Lohn, aber dennoch musste ihr Leben einsam sein: eine allein stehende Mutter, verlassen von ihrem Mann, enttäuscht von ihrem einzigen Kind.
    Sie betete regelmäßig, sagte Dank.
    Sah sie einer großartigen Welt entgegen, die noch kam, oder hatte sie wahrhaft ihren Frieden gefunden? Ihre Busfahrt nach L. A. ließ darauf schließen, dass das nicht der Fall war.
    Richard und seine Kinder, Guillerma und ihr Junge. Allein, jeder war allein.

23
    Es war drei Uhr zweiundzwanzig am Donnerstag, und ich hatte jedes Wort in Fuscos Ordner gelesen. Bisher war ich auf keine durchschlagenden Schlussfolgerungen gestoßen. Dann ging ich ein zweites Mal die Fotos durch und sah es.
    Ich sah auf eine Tatortaufnahme von einem der ungelösten Fälle im Staat Washington - eines der vier Opfer aus der Zeit, die Michael Burke dort als Medizinstudent verbracht hatte. Vier Morde, die Fusco als übereinstimmend mit Burkes Technik ansah, weil die Opfer entweder an oder in der Nähe von Bäumen zurückgelassen worden waren.
    Bei der jungen Frau handelte es sich um eine zwanzig Jahre alte Kellnerin namens Marissa Bonpaine, die zuletzt gesehen worden war, als sie einen Krabbencocktail an einem Stand im Pike Place Market in Seattle servierte, und über eine Woche später vor einer Fichte in einem abgelegenen Teil des Olympic National Forest gefunden wurde. Es gab keine Fußspuren in der Nähe des Tatorts; die Ansammlung von Fichtennadeln und verwesenen Blättern auf dem Waldboden stellte ein möglicherweise fruchtbares Nest für Ergebnisse der Spurensicherung dar, dennoch war nichts gefunden worden. Es hatte inzwischen elf Tage geregnet, und der Tatort war so sauber wie der Operationssaal, als den der Mörder ihn betrachtet hatte.
    Marissa Bonpaine war auf eine Weise zugerichtet worden, die mir inzwischen unangenehm vertraut erschien: aufgeschlitzte Kehle, Verstümmelungen im Unterleibsbereich und sexuell aufreizend in Pose gebracht. Eine einzelne, tiefe trapezförmige Wunde direkt oberhalb des Schambeins konnte als geometrisch angesehen werden, obwohl die Wundränder nicht glatt waren. Schock und Blutverlust waren die Todesursachen.
    Keine Kopfwunde durch einen stumpfen Gegenstand. Ich vermutete, dass Fusco dies der Abgeschiedenheit des Orts und dem erhöhten Selbstvertrauen des Mörders zuschreiben würde: Er hatte gewollt, dass sein Opfer bei Bewusstsein war und dass sie zusah, litt. Er hatte sich Zeit gelassen.
    Ich überprüfte die Körpermaße. Ein Meter fünfzig, fünfundvierzig Kilo. Winzig, leicht zu überwältigen, ohne dass sie bewusstlos geschlagen werden musste.
    Was mir ins Auge fiel, hatte nichts damit zu tun; nachdem ich drei Stunden lang in Blut und Sadismus gewatet war, hatte ich mich bedauerlicherweise daran gewöhnt.
    Mir war etwas aufgefallen, das sich glitzernd von dem braunen Waldboden abhob, ein, zwei Meter neben Marissa Bonpaines zarter linker Hand. Etwas, das intensiv genug glänzte, um das spärliche Licht, das das dichte Koniferendach durchdrang, aufzufangen und zurückzuwerfen. Ich blätterte die Seiten durch, bis ich auf den Polizeibericht stieß.
    Ein Wanderer hatte die Leiche gefunden. Forst- und Polizeibeamte aus drei verschiedenen Dienststellen hatten eine Rastersuche in einem Umkreis von zweihundert Metern durchgeführt und die Fundstücke unter einem »Tatort-Inventar« aufgelistet. Einhundertdreiundachtzig verschiedene Gegenstände, zumeist Abfall - leere Dosen und Flaschen, eine zerbrochene Sonnenbrille, ein Dosenöffner, verrottetes Papier, Zigarettenkippen - Tabak und Cannabis -, Tierskelette, grober Bleischrot, zwei ballistisch analysierte Kupfermantelgeschosse, die als unwichtig eingeschätzt wurden, da Marissa Bonpaines Leiche keine Schusswunden aufwies. Drei Paar von Insekten befallene Wanderschuhe und andere weggeworfene Kleidungsstücke waren im Labor untersucht und einem Zeitraum zugeordnet worden, der deutlich vor dem Mord lag.
    Etwa in der Mitte der Liste stand es:
     
    T.-I. Nr. 76:

Weitere Kostenlose Bücher