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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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wie Robin Toast und Eier und eine Grapefruit aß. Wir verbrachten eine angenehme halbe Stunde miteinander, und meiner Ansicht nach hielt ich den Anschein der Liebenswürdigkeit ziemlich gut aufrecht. Als sie in ihr Atelier ging, war es acht Uhr, und ich stellte die Morgennachrichten an. Es lief eine Zusammenfassung der Doss-Story, aber neue Fakten gab es nicht.
    Um acht Uhr zwanzig rief ich Alice Zoghbie an und lauschte der Begrüßung auf ihrem Anrufbeantworter. In dem Augenblick, als ich auflegte, meldete sich mein Telefonservice.
    »Guten Morgen, Dr. Delaware. Ich habe einen Joseph Safer am Apparat.«
    Richards Anwalt. »Stellen Sie ihn durch.«
    »Doktor? Joe Safer. Ich bin Strafverteidiger und vertrete Ihren Patienten Richard Doss«, sagte die sanfte Baritonstimme eines älteren Mannes - bedächtig, großväterlich, tröstend. Er sprach langsam, aber nicht stockend.
    »Wie geht es Richard?«, fragte ich.
    »Nun jaa-aa«, sagte Safer, »er ist immer noch in Haft, deshalb glaube ich nicht, dass es ihm allzu gut geht. Aber das Problem sollte bis zum Nachmittag gelöst sein.«
    »Papierkram?«
    »Ich möchte nicht paranoid erscheinen, Doktor, aber ich frage mich doch, ob die Polizei die Angelegenheit nicht ein bisschen verschleppt.«
    »Gott behüte.«
    »Sind Sie ein religiöser Mensch, Doktor?«
    »Rufen in harten Zeiten nicht alle Gott an?«
    Er kicherte. »Wohl wahr. Wie dem auch sei, der Grund für meinen Anruf ist, dass Richard gern mit Ihnen über seine Kinder reden würde, sobald er rauskommt. Wie man sie am besten durch diese problematische Phase bringt.«
    »Natürlich«, sagte ich.
    »Hervorragend. Sie hören von mir.« Die Stimme klang fröhlich, so als plante er ein Picknick.
    »Womit hat er zu rechnen, Mr. Safer?«
    »Nennen Sie mich Joe … Nun jaa-aa, das ist schwer zu sagen … wir beide genießen in diesem Fall das Privileg der Vertraulichkeit, deshalb kann ich es mir erlauben, etwas deutlicher zu werden. Ich glaube nicht, dass die Polizei irgendetwas in der Hand hat, das man als ernsthaft inkriminierend ansehen könnte. Es sei denn, irgendetwas ergibt sich bei der Hausdurchsuchung, und davon gehe ich nicht aus … Doktor, Sie haben etwas mehr Spielraum hinsichtlich des Vertrauensschutzes.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Solange Ihr Patient kein Tarasoff-Risiko darstellt, sind Sie nicht verpflichtet, irgendetwas preiszugeben. Ich hingegen … Es gibt Fragen, die ich nicht stelle.«
    Mit dieser Bemerkung ließ er durchblicken, dass er nicht wissen wollte, ob sein Mandant schuldig war, und dass ich den Mund halten sollte, falls ich es wusste.
    »Ich verstehe«, sagte ich.
    »Wunderbar … Gut, dann reden wir einen Moment über Stacy und Eric. Sie machen einen netten Eindruck. Intelligent, äußerst intelligent sogar, das ist selbst unter den derzeitigen Umständen nicht zu verkennen. Aber sie wirken beide angegriffen - das war nicht zu vermeiden. Ich bin froh, Sie an Bord zu haben, falls eine Therapie erforderlich ist.«
    »Da könnte es ein Problem geben. Eric ist wütend auf mich, er ist überzeugt, ich hätte mich mit der Polizei verbündet. Ich kann das verstehen, weil ich mit einem der Detectives -«
    »Milo Sturgis«, sagte Safer. »Ein sehr effektiver Ermittler - ich bin mir Ihrer Freundschaft mit Mr. Sturgis durchaus bewusst. Lobenswert.«
    »Was ist lobenswert?«
    »Dass ein heterosexueller Mann mit einem homosexuellem Mann befreundet ist. Einer meiner Söhne war schwul. Von ihm habe ich viel darüber gelernt, was es heißt, keine Vorurteile zu haben. Leider habe ich nicht schnell genug gelernt.«
    Er sprach in der Vergangenheitsform. Seine Stimme war zugleich tiefer und leiser geworden. »Die jungen Leute sind so impulsiv«, fuhr er fort. »Ich meine damit Eric. Ich selbst habe fünf Kinder und dreizehn Enkel. Vier, um die Wahrheit zu sagen. Mein Sohn Daniel ist im letzten Jahr gestorben. Seine Diagnose hat meine Lerngeschwindigkeit etwas beschleunigt.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Oh, es war schrecklich, Doktor, danach ist Ihr Leben nicht mehr dasselbe … doch genug davon. Was Erics Aufsässigkeit betrifft, werde ich mit dem Jungen ein Wörtchen reden. Richard wird das ebenfalls tun. Was ist mit Stacy? Ich weiß nicht recht, was ich von ihr halten soll. Sie sitzt dabei, während Eric die ganze Zeit redet. Sie erinnert mich an meinen Daniel. Er war mein Erstgeborener, immer ein Friedensstifter - er hat für seine Geschwister immer die Verhandlungen mit ihrer Mutter und mir geführt, wenn es

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