Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Einen Grund für sie, nach Lancaster zu -«
    »Sie war nie dort«, sagte er.
    »Nie in dem Motel?«
    »Nie in Lancaster.«Er lachte. Ein unvermitteltes, bitteres, unverhältnismäßiges Lachen. »Nicht bis zu dieser Nacht. Es war ein Dauerthema zwischen uns. Ich war die ganze Zeit da draußen, hatte dort verschiedene Projekte, Einkaufszentren bauen, Scheiße in Gold verwandeln. Ich bin immer mit dem Hubschrauber vom Municipal Bank Building nach Palmdale geflogen und die restliche Strecke gefahren. Ich habe so viele gottverdammte Stunden dort verbracht, dass ich das Gefühl hatte, der Sand rieselte aus jeder Ritze meines Körpers. Joanne hat nie irgendwas davon gesehen. Ich habe sie immer gefragt - sie gebeten -, dorthin zu fahren, nur ab und zu mal. Mit mir zusammen zu Mittag zu essen und sich anzuschauen, was wir auf die Beine gestellt hatten. Ich habe ihr erzählt, die Wüste könnte wunderschön sein, wir könnten irgendwo gut und billig essen, ganz zwanglos - in ein gottverdammtes Pizza Hut oder so, wie damals, als wir kein Geld hatten und uns gerade kennen gelernt hatten. Keine Chance. Sie hat mir immer einen Korb gegeben. Sie hat gesagt, der Weg sei zu weit, zu viel Verkehr, zu trocken, zu heiß, zu viel los, es gab immer einen Grund.«
    Er lachte erneut. »Aber dort ist sie schließlich geendet.« Er drehte sich um und starrte mich an. Ausnahmsweise lag keine Aggressivität in seinem Blick. Er war traurig, bemitleidenswert, auf der Suche nach einer Antwort.
    »Herrgott«, sagte er. Ein abruptes, unterdrücktes Schluchzen brachte ihn zum Würgen. Er fuhr kurz in dem Sofa hoch, als hätte ihn der Schmerz eine Sekunde lang zum Schweben gebracht, bevor das Schicksal ihn wieder niedergeschmettert hatte.
    »Gott verdamme sie«, flüsterte er. Plötzlich gab er auf, und die Tränen stürzten hervor. Er schlug mit der Faust in die Luft, gegen seine Knie, attackierte seine Brust, seine Schultern. Er bohrte seine Fingerknöchel in seine Augen, verbarg sein Gesicht vor mir.
    »Scheiß-Lawcaster! Dafür geht sie dorthin! O Herrgott! O Herr im Himme!!
    Er senkte den Kopf zwischen die Beine, als wollte er sich übergeben, sprang aber sofort wieder auf, lief zu den Verandatüren, wo er stehen blieb, mir den Rücken zuwandte und leise weinte, während er auf seinen Swimmingpool und sein Land und das ferne Meer hinaussah.
    »Sie muss mich wirklich gehasst haben«, sagte er.
    »Warum sollte sie Sie hassen, Richard?«
    »Weil ich ihr nicht vergeben habe.«
    »Was hat sie getan?«
    »Nein«, sagte er. »Kein Wort mehr davon, ziehen Sie mir nicht die Haut ab, lassen Sie mich einfach das hier mit meiner Haut am Leib durchstehen, okay? Ich werde Ihnen nicht vorschreiben, wie Sie Ihre Arbeit machen sollen, lassen Sie es einfach auf sich beruhen. Helfen Sie meinen Kindern. Bitte.«
    »Klar«, sagte ich. »Natürlich.«

27
    Die Schritte im oberen Stockwerk waren wieder zu hören. Wenige Augenblicke später klopfte Joe Safer gegen den Türrahmen. Richard, der noch immer vor der Verandatür stand, drehte sich um.
    Safer sagte: »Alles in Ordnung?«
    »Joe, ich bin wirklich groggy, ich glaube, ich lege mich hin.« Richard trottete zum Sofa, zog seine Schuhe aus, stellte sie ordentlich nebeneinander und legte sich hin.
    »Warum gehen Sie nicht nach oben ins Bett?«, fragte Safer.
    »Nun, ich wird mich hier einfach hinhauen. Hier kann ich mich am besten entspannen.« Richard griff nach einer Fernbedienung und schaltete den Heim & Garten-Kanal ein. Jemand in einem karierten Hemd und mit einem schweren Werkzeuggürtel verlegte einen Dielenboden aus Redwood-Holz. Wie immer bei diesen Typen sah es bei ihm so leicht aus wie das Anlecken eines Briefumschlags.
    Innerhalb von Sekunden schien Richard wie hypnotisiert.
    »Bereit für die Kinder?«, fragte Safer mich.
    »Bereit.«
    Ich ging hinter ihm her eine Hintertreppe hoch und ordnete im Geiste meine Karteikarten.
    Schuld, Sühne. Weil ich ihr nicht vergeben habe.
    Joanne hatte eine Grenze überschritten - wahrscheinlich genau das, was ich vermutet hatte: eine Affäre.
    Eric, der seinem Vater nahe stand, hatte sich auf die Seite seines Vaters gestellt. Hatte Joannes Verstoß dazu geführt, dass ihr Sohn sie verachtete? Dass er seine Zeit mit ihr verbrachte, während sie sich zerstörte, dass er sie liebte, sie aber zugleich hasste? War das eine mögliche Erklärung für die Polaroidaufnahmen? Er dokumentierte ihren Abstieg - ihre Bestrafung - und gab dann Richard die Fotos …
    Ein solches Maß

Weitere Kostenlose Bücher