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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Computer und Drucker. Der Boden war übersät mit zusammengeknüllter Unterwäsche, Hemden, Jeans, Socken, einem Paar schmutziger Sportschuhe, außerdem einem blauen Nylonrucksack, Essensverpackungen, Snapple-Flaschen und zerdrückten Surge-Dosen.
    Eric saß neben dem Kopfteil, während Stacy am Fuß des Bettes kauerte. Sie hatten einander den Rücken zugewandt. Sie trug ein gelbes T-Shirt über weißen Caprihosen, er eine schwarze Jeans und ein schwarzes Sweatshirt. Der Apfel fällt nicht weit…
    Beide waren barfuß. Beide hatten rote Ränder um die Augen.
    Eric schob einen Fingernagel unter den andern und schnippte etwas weg. »Jetzt geht’s los«, sagte er.
    »Mein Sohn«, sagte Joe Safer.
    Eric zog die Oberlippe hoch. »Ja, Dad?«
    Stacy schauderte und legte die Arme um ihren Oberkörper. Die Nagelhaut an ihren Fingern war aufgerissen. Ihr Haar war gelöst, verfilzt und zottig wie das ihres Vaters.
    Safer sagte: »Dr. Delaware war so freundlich, zu dieser Zeit noch hierher zu kommen. Ihr Vater hätte gern, dass Sie mit ihm reden.«
    »Reden, reden, reden«, sagte Eric.
    Stacy schauderte wieder. Es gelang ihr, mich kurz anzusehen, bevor sie aber sofort wieder in eine andere Richtung blickte.
    »Eric«, sagte Safer, »ich bitte Sie, höflich zu sein. Sowohl Ihr Vater als auch ich bitten Sie darum.«
    »Wie geht es Dad?«, fragte Stacy. »Wo ist er? Was macht er?«
    »Er ist unten und ruht sich aus, Liebes.«
    »Möchte er vielleicht etwas essen?«
    »Nein, es geht ihm gut, Liebes«, sagte Safer. »Ich habe ihm vor einer Weile ein Sandwich gemacht.«
    »War es koscher?«, fragte Eric.
    Schweigen in dem muffigen Zimmer.
    Safer strich sich über den Bart und lächelte traurig.
    »Ein feines koscheres Gürkchen«, sagte Eric. »Ein feines kleines Stück Corned Beef -«
    »Hör auf, Eric -«, sagte Stacy.
    »Ein feines kleines Matzeklößchen -«
    »Halt den Mund, Eric!«
    »Womit aufhören? Was tu ich denn, verdammte Scheiße?«
    »Du weißt genau, was du tust. Hör auf, so unverschämt zu sein.«
    Sie funkelten sich gegenseitig an. Stacy wandte sich als Erste ab. Mit einer kurzen resignierten Handbewegung kehrte sie Eric den Rücken zu. Dann stand sie auf. »Mir reicht es jetzt, ich verschwinde hier - tut mir Leid, Dr. Delaware, ich kann im Moment einfach nicht mit Ihnen oder sonst jemandem reden. Wenn ich Sie brauchen sollte, melde ich mich bei Ihnen - das tue ich wirklich, Mr. Safer.«
    »Safer«, murmelte Eric. »Dad stellt Schecks über riesige Summen auf ihn aus …«
    »Du bist so …«, sagte Stacy plötzlich.
    »Was bin ich?«
    Mit einer weiteren wegwerfenden Handbewegung ging Stacy zur Tür. Eric sagte: »Was bin ich, schlaues Kind?« Stacy ging weiter.
    »Los doch, geh ruhig, aber glaub nicht, dass du dann frei bist«, rief Eric hinter ihr her. »Wir sind erst dann von unseren Qualen befreit, wenn wir uns selbst davon erlösen.«
    Stacy blieb stehen. Ein weiteres Zittern lief durch ihren Körper. Ihr Gesicht zuckte, und weißer Schaum bildete sich in ihren Mundwinkeln. Sie drehte sich um und neigte sich nach vorn, die winzigen Hände zu harten kleinen Fäusten zusammengepresst. Einen Moment lang dachte ich, sie würde auf ihn losgehen. Ihr Gesicht war von einer tiefen Röte überzogen. Der Doss-Röte.
    »Dm!«, sagte sie. »Du … bist… böse.«
    Sie lief hinaus. Ich folgte ihr und holte sie an der Tür des letzten Schlafzimmers ein.
    »Nein! Bitte] Ich weiß, dass Sie mir helfen wollen, aber …«
    »Stacy -«
    Sie lief in das Schlafzimmer, ohne jedoch die Tür hinter sich zu schließen. Ich ging hinein.
    Das Zimmer war kleiner als Erics. Es hatte eine rosafarbene und babyblaue Tapete mit Bändern, Blättern und Blumen, ein weißes Eisenbett mit Akzenten aus Messing, einer rosa Tagesdecke und Stofftieren, die auf einen gepolsterten Lehnstuhl gestapelt waren. Kleidungsstücke und Bücher lagen auch hier herum, dennoch herrschte nicht die kalkulierte Entropie von Erics Zimmer.
    Sie ging zu einem Fenster und berührte die heruntergelassenen Jalousien. »Das ist so erniedrigend, dass Sie uns in diesem Zustand sehen.«
    »Das ist eine schwere Zeit für Sie«, sagte ich. Hausbesuche. Wie viel wusste ich eigentlich nicht über Tausende von anderen Patienten?
    »Es gibt keine Entschuldigung dafür«, sagte sie. »Wir sind einfach …«
    Sie verstummte. Sie krümmte ihren Rücken wie eine alte Frau und zerrte an einem Stück Nagelhaut herum.
    »Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, Stacy.«
    Keine Antwort. »Es ist

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