Gnadentod
Verletzungen. Mein Kiefer pochte, und ich berührte ihn. Er war warm und schwoll allmählich an, aber ich konnte ihn bewegen, also war wohl nichts gebrochen.
»Um Gottes willen«, sagte Safer. »Seht nur, was ihr mit dem Doktor angestellt habt. Was ist bloß los mit euch? Seid ihr Wilde?«
Eric lächelte. »Wir sind die Elite. Erbärmlich, wie?«
Safer zeigte mit dem Finger auf ihn. »Du bist still, mein Freund. Du hältst deinen Mund - wage ja nicht, mich zu unterbrechen -«
»Warum sollte -«
»He-he, stell mich nicht auf die Probe, junger Mann. Noch ein Muckser, und ich rufe die Polizei und lasse dich ins Gefängnis bringen. Und ich kann dafür sorgen, dass du drinnen bleibst, glaub es mir.«
»Wen kümm -«
»Dich. Innerhalb einer Stunde hat man dich anal vergewaltigt und Schlimmeres mit dir gemacht. Und jetzt halt die Klappe!«
Erics Hände begannen zu zittern. Er warf einen Blick auf das Chaos, das er angerichtet hatte. Er lächelte. Plötzlich begann er zu weinen.
Niemand redete. Safer begutachtete den Schaden und schüttelte den Kopf.
»Es tut mir so Leid«, sagte er. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Mir geht’s gut.«
»Eric«, flehte Richard. »Warum? Was habe ich dir getan?«
Eric sah Safer an, als wollte er um die Erlaubnis bitten, sprechen zu dürfen. Safer sagte: »Allerdings, warum, Eric?« Eric sah Richard an und murmelte etwas. »Was?«, sagte Richard. »Tut mir Leid.«
»Es tut dir Leid«, wiederholte Richard. »Das ist alles?« Lauteres Murmeln.
»Sprich lauter, Herrgott noch mal«, sagte Richard. »Wie zum Teufel kommst du dazu …« Er schüttelte den Kopf.
»Tut mir Leid, Daddy«, sagte Eric. »Tut mir Leid, tut mir Leid, tut mir Leid.«
»Warum, Eric?«
Eric begann zu schluchzen. Richard rückte in seine Richtung, um ihn zu trösten, doch dann überlegte er es sich anders und ließ sich zurücksinken.
»Warum, mein Sohn?«, fragte er.
»Vergebung«, sagte Eric. »Vergebung ist alles.«
Richard war wieder blass geworden. Eine ungesunde grünliche Blässe. Er hob eine Tonscherbe auf. Es war ein Teil eines Pferdekopfs, grün und blau und grüngelb.
»Oh, mein Gott«, sagte eine Stimme hinter uns.
Stacy stand mit weit aufgerissenen Augen am Eingang des Wohnzimmers.
Als ich sie wenige Augenblicke zuvor davon hatte reden hören, dass sie ihren eigenen Weg gehen wollte, hatte ich mir insgeheim ein wenig auf die Schulter geklopft. Doch nun war jeglicher Sieg der reinste Witz, genauso demoliert wie die tausend Jahre alten Töpferwaren, die man aus den Gräbern geborgen hatte.
»Nein«, sagte Stacy.
»Liebes?«, sagte Safer.
Als sie nicht antwortete, sagte er: »Nein was?« Sie schien ihn nicht zu hören.
»Nein«, sagte sie in meine Richtung. »Ich habe genug von all dem hier.«
»Und Sie müssen das auch nicht mehr ertragen, Liebes«, sagte Safer. »Sind Sie sicher, dass Ihr Kiefer nicht gebrochen ist, Doktor?«
»Ich wird’s überleben.«
»Richard«, sagte er, »ist Ihr Mädchen im Haus?«
»Nein«, murmelte Richard. »Sie hat ihren freien Abend.«
»Stacy, bitte holen Sie dem Doktor eine Eispackung.«
»Klar«, sagte Stacy und verschwand.
Safer fixierte Richard und Eric: »Jetzt werden Sie beide dieses schreckliche Chaos aufräumen, und ich werde mir überlegen, ob Sie es verdienen, dass ich mich weiter mit Ihrem Fall beschäftige, Richard.«
»Bitte«, sagte Richard.
»Räumt einfach auf«, befahl Safer. »Tut etwas Nützliches. Tut etwas gemeinsam.«
Er führte mich aus dem Zimmer durch das Esszimmer in die Küche, eine dieser großzügigen Räumlichkeiten aus weißem Lack und schwarzem Granit, die Immobilienmakler gerne als Profiküche bezeichnen. Eine weitere Vorspiegelung falscher Tatsachen, wie sie in L. A. gang und gäbe sind: Wohlhabende Einsiedler erheben Anspruch darauf, als gesellig zu gelten.
Stacy wickelte Eiswürfel in ein Handtuch. »Eine Sekunde.«
»Vielen Dank, Liebes«, sagte Safer. Ich presste den Stoff an mein Gesicht.
»Es tut mir so Leid«, sagte sie zu mir. »So schrecklich Leid.«
»Nicht der Rede wert«, sagte ich. »Wirklich nicht.« Wir standen da und lauschten. Kein Laut drang durch die Küchentür.
Safer sagte: »Bitte gehen Sie in Ihr Zimmer, Stacy. Ich muss mit Dr. Delaware reden.« Sie verließ die Küche.
Safer sagte: »Wenigstens scheint einer von ihnen normal zu sein.«
Er schob seine Jarmulke zurück, zog sein Jackett aus, legte es gefaltet über einen Stuhl und setzte sich an den Küchentisch.
»Was ist
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