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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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verschiedene Wege, als ich fortfuhr, sie zu trösten. Ich dachte die ganze Zeit: Mutter und Sohn, Schuld, Sühne. Joanne und Eric bei der Planung … Eric macht Fotos, weil er weiß, dass sie bald gehen wird, und er keine Gelegenheit zu einem Andenken verstreichen lassen will.
    Dieses Szenario war zu widerlich, um darüber nachzudenken, aber ich konnte nicht damit aufhören. Ich hoffte, sie würde den Abscheu, den ich empfand, nicht an meiner Stimme hören können. Ich hatte ihn offenbar erfolgreich unterdrückt, da Stacy zu weinen aufhörte.
    »Alles wird wieder gut?«, sagte sie mit der Stimme eines kleinen Mädchens.
    »Lassen Sie sich nur nicht ins Bockshorn jagen.«
    Sie lächelte. Doch plötzlich verwandelte sich das Lächeln in eine hässliche Grimasse. »Nein, das wird es nicht. Es wird niemals gut.«
    »Ich weiß, dass es im Augenblick so aussieht -«
    »Hey«, sagte sie. »Eric hat Recht. Es ist überhaupt nicht kompliziert. Man wird geboren, das Leben ist Scheiße, und dann stirbt man.« Sie riss ein Stück Nagelhaut ab, sodass es zu bluten begann, leckte an der Wunde und zog noch mehr Haut ab.
    »Stacy -«
    »Worte«, sagte sie. »Sie klingen schön.«
    »Sie sind wahr, Stacy.«
    »Ich wünsche es mir … Die Dinge werden besser?«
    »Ja«, sagte ich. Gott helfe mir.
    Sie lächelte wieder. »Ich gehe mit Sicherheit nicht nach Stanford. Ich muss meinen eigenen Platz finden … Vielen Dank, Dr. Delaware, das ist eine -«
    Ihre Worte wurden von plötzlichen Geräuschen aus dem Erdgeschoss unterbrochen.
    Sie kamen aus dem vorderen Teil des Hauses, laut genug, um in den ersten Stock und durch die Tür zu ihrem Schlafzimmer zu dringen. Schreie und Schläge, stampfende Schritte, wieder Schreie - Gebrüll.
    Das Geräusch zerspringenden Glases.

28
    Ich lief aus dem Zimmer und stürzte die Treppe hinunter in Richtung des Lärms.
    Das Wohnzimmer. Gestalten in Schwarz.
    Zwei Gestalten, die sich in kämpferischer Pose gebückt gegenüberstanden.
    »Was hast du getan, verdammte Scheiße?«, schrie Richard und stürzte auf seinen Sohn los.
    Eric schwang einen Baseballschläger.
    Hinter dem Jungen stand das, was von den Vitrinen übrig geblieben war. Alles war verwüstet, das Messing eingedellt, Glastüren zersplittert. Glasscherben in allen Größen und Formen waren auf dem Teppich verstreut, glitzernder Staub wie Rohdiamanten. Zerbrochene Töpferwaren lagen in den Vitrinen und auf dem Boden. Pferde und Kamele und kleine Menschenfigürchen waren in Schutt verwandelt.
    Richard kam näher. Sein Mund stand offen. Sein Atem ging rasselnd.
    Eric keuchte ebenfalls. Er packte den Schläger mit beiden Händen. »Denk nicht mal dran!«
    »Leg es hin!«, befahl Richard. Eric bewegte sich nicht. »Leg das Scheißding hin!«
    Eric lachte und holte zu einem weiteren Schlag gegen das Porzellan aus. Richard stürmte nach vorn, griff nach dem Schläger und bekam ihn zu fassen, während Eric sich grunzend wand, um ihn seinem Vater wieder zu entreißen.
    Sie fielen zu Boden, ineinander verschlungene schwarze Kleidungsstücke überzogen sich mit Glas und Staub. Ich tauchte in das Gewirr, dachte an den Schläger und versuchte ihn zu fassen. Ich griff danach, spürte das harte Holz, das sich schweißbedeckt und rau anfühlte, und das Knirschen unter mir, als Splitter in meine Knie eindrangen. Ich zog an dem Schläger. Etwas gab nach, dann spürte ich plötzlich Widerstand. Eine Faust landete auf meinem Kieferknochen, dennoch lockerte ich meinen Griff nicht.
    Eric und Richard knurrten und spuckten, schlugen wild aufeinander, auf mich, auf alles und jeden ein.
    Ein weiteres Paar Hände mischte sich in den Kampf ein.
    »Hört auf.«
    Ich befreite mich. Joe Safer stand da, die Hände an die Wangen gepresst, seine Augen glühten vor Zorn. Eric und Richard waren völlig absorbiert vom Kampf um den Baseballschläger. »Hört auf, ihr Idioten, oder ich gehe und überlasse dieses Haus und euch eurem jämmerlichen Schicksal!«
    Richard hörte als Erster auf. Eric knurrte noch immer, aber sein Griff lockerte sich, und Safer und ich stürzten nach vorn und nahmen ihm den Schläger ab.
    Richard setzte sich auf den Boden und ließ die Trümmer seiner Sammlung durch seine Finger gleiten. Er wirkte wie betäubt - anästhesiert. Sein Gesicht und seine Hände waren von winzigen Schnitten übersät, ein Auge war geschwollen. Keine zwei Meter daneben kniete Eric und starrte ins Leere. Abgesehen von einer aufgeplatzten Lippe hatte er keine sichtbaren

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