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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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und verletzt. »Ich bin müde, bitte verlangen Sie nicht von mir, dass ich etwas sage.«
    Ich blieb eine Weile bei ihr. Als ich in die Küche zurückkam, telefonierte Joe Safer, einen Ellbogen auf die Anrichte neben einer verchromten schwarzen Kaffeemaschine aus Deutschland gestützt. Ich fand eine Dose mit gemahlenem Kaffee in einem der Kühlschränke und gab Pulver für sechs Tassen in die Maschine. Dann saß ich da, lauschte dem Tropfen und dachte darüber nach, was Schuld und Sühne wirklich für Eric bedeuteten. Safer verließ die Küche, ohne den Hörer vom Ohr zu nehmen. Ich trank meinen Kaffee allein. Eine Weile später klingelte es an der Tür, und Safer kam in Begleitung eines hoch gewachsenen, kräftigen, blond gelockten jungen Mannes mit einer Aktentasche in die Küche zurück.
    »Das ist Byron. Er wird heute Nacht hier bleiben.«
    Byron zwinkerte und inspizierte die Küchengeräte. Er trug ein blaues Oxford-Hemd, eine Khakihose und Slipper, hatte schmale Augen und Gesichtsmuskeln, die wie gelähmt wirkten. Als wir uns begrüßten, fühlte sich seine Hand an, als bestünde sie lediglich aus Haut und Knochen. Safer ging nach oben. Byron und ich wechselten kein Wort.
    Kein Geräusch drang aus dem Wohnzimmer. Das ganze Haus war viel zu ruhig. Dann hörte ich Schritte von oben, und wenige Sekunden später kam Stacy herein, gefolgt von dem Anwalt. Safer trug eine kleine Reisetasche mit Blumenmuster. Stacy sah winzig aus, eingefallen, viel zu alt.
    Ich ging mit den beiden nach draußen und sah zu, wie er ihr beim Einsteigen in seinen Cadillac half. Byron blieb an der Tür stehen, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Was genau ist er?«, fragte ich.
    »Jemand, der mir hilft. Richard und Eric machen einen ruhigen Eindruck, aber für alle Fälle.«
    »Waren Sie das älteste Kind, Joe?«
    »Das älteste von sieben. Warum?«
    »Sie nehmen gern die Dinge in die Hand.«
    Sein Lächeln war müde. »Glauben Sie ja nicht, dass Sie für diese analytische Weisheit Geld von mir bekommen.«
    Er fuhr los, und ich beobachtete, wie die Rücklichter des Cadillac verschwanden. Der Zivilwagen, der weiter unten an der Straße geparkt stand, hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Die Nacht war unangenehm feucht geworden, und es roch nach faulendem Seetang. Mein Kiefer schmerzte und meine Kleider waren vollkommen durchgeschwitzt. Ich trottete zu meinem Seville. Doch statt zu wenden und nach Süden zu fahren, hielt ich mich weiter in nördlicher Richtung, bis ich es gefunden hatte.
    Es war sechs Häuser weiter, ein großer Klotz im Tudorstil hinter einer Ziegelmauer und einem Eisentor. Weinreben umrankten die Mauer; ich erkannte es an Judys weißem Lexus, der durch die Gitterstäbe sichtbar war und zudem ein besitzerspezifisches Nummernschild hatte: HCDJ.
    Here Come Da Judge. Ich hatte es zum ersten Mal gesehen, als ich sie aus dem Gerichtssaal zu ihrem Parkplatz begleitet hatte bei einer der zahlreichen Gelegenheiten, bei denen wir zusammen gearbeitet hatten.
    All diese Überweisungen. Diese hier würde die letzte sein, nicht wahr?
    Ich blieb vor ihrem Haus stehen und hielt Ausschau nach … wonach?
    Hinter ein paar längs unterteilten, mit Gardinen versehenen Fenstern brannte Licht. Im ersten Stock war den Bruchteil einer Sekunde lang eine Bewegung zu sehen - im mittleren Fenster. Es war lediglich ein verschwommener Fleck einer Silhouette, die sich bewegte, erstarrte und dann wieder weiterbewegte. Eine menschliche Silhouette, aber das war so ziemlich alles, was ich sagen konnte.
    Als ich wendete und das Licht meiner Scheinwerfer an einem Punkt durch das Tor der Manitows fiel, wartete ich einen Augenblick in der Hoffnung, dass jemand das Licht bemerken und sich zeigen würde. Aber das war nicht der Fall, also fuhr ich zurück zum Sunset und kam an dem Zivilfahrzeug vorbei. Auch dort bewegte sich etwas, aber die Limousine rührte sich nicht vom Fleck.
    Ich fuhr nach Osten, während ich versuchte an nichts zu denken. Auf dem Heimweg hielt ich an einem durchgehend geöffneten Drugstore und kaufte das stärkste Advil, das ich finden konnte.
     
    Am Freitagmorgen erwachte ich vor Robin, als die Sonne gerade die Vorhänge weiß färbte. Mein Kiefer fühlte sich wund an, aber die Schwellung hätte schlimmer sein können. Ich zog mir die Decke übers Gesicht und tat so, als schliefe ich, während ich wartete, bis Robin aufstand, sich duschte und ging. Ich hatte keine Lust, Erklärungen abzugeben, obwohl ich es irgendwann würde tun

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