Gnadentod
sagte ich.
»Sie sagen es. Übrigens, morgen treffe ich mich mit Billy. Wir wollen uns das neue Wissenschaftszentrum im Exposition Park ansehen. Gibt es irgendwas, das ich ihm von Ihnen ausrichten soll?«
»Liebe Grüße, und er soll genauso weitermachen wie bisher. Und am Ball bleiben. Nicht, dass er es nötig hätte, von mir daran erinnert zu werden.«
Sie lachte. »Ja, er ist wundervoll, nicht wahr?«
30
Es dauerte vierzig Minuten auf der Tenth East und diversen oberirdischen Straßen, bis ich den schäbigen Teil von East Hollywood erreicht hatte, wo der Beverly Boulevard auf die Temple Street stößt.
Das zweite Krankenhaus an einem Tag.
Das Hollywood Mercy war ein erdbebengeschüttelter, kittfarbener Gebäudekomplex aus Stuck mit fünf Stockwerken, der auf einer mit Büschen bewachsenen Kuppe mit Blick auf Downtown hinab stand. Das Gebäude hatte einige hübsche Schmuckfriese, die aus der Zeit stammten, als Arbeitskräfte noch billig waren, und aus denen bereits einige Brocken herausgebrochen waren. Außerdem hatte es ein Dach mit zahllosen zerbrochenen Ziegeln und einen Parkplatz, der entschieden zu klein war. Städtische Krankenwagen drängten sich um den Eingang. Die Eingangshalle war mit langen Schlangen traurig dreinblickender Menschen bevölkert, die auf die Zustimmung von Verwaltungsangestellten in Glaskäfigen warteten. Computertomographien, Kernspintomographien, Untraschalluntersuchungen; dasselbe Hightech-Instrumentarium, das ich bereits im St. Michael’s gesehen hatte, wobei dieses Krankenhaus wie aus einem Schwarzweißfilm aussah und roch wie das Schlafzimmer eines alten Hauses.
Wie Mates Schlafzimmer.
Sein Sohn erholte sich auf dem dritten Stock auf einer Station, die Spezielle Pflegeeinheit hieß. Ein unbewaffneter Wächter war an der Schwingtür postiert, die auf die Station führte, und er winkte mich durch, als er mein Namensschild sah. Auf der anderen Seite lag ein kurzer Gang mit fünf Türen und einem Schwesternzimmer am anderen Ende. Ein Schwarzer mit rasiertem Schädel saß neben einem Stapel Krankenblätter und schrieb, während eine hohlwangige, strohblonde Frau von Mitte sechzig mit ihrem Finger im Takt zu einem gedämpften Reggae klopfte, der aus einem unsichtbaren Radio kam. Ich stellte mich vor.
»Dort drinnen«, sagte die Schwester.
»Wie geht es ihm?«
»Er wird’s überleben.« Sie zog ein Krankenblatt heraus, das wesentlich dünner war als Joanne Doss’ Enzyklopädie der Verwirrung. Ein Polizeibericht der Hollywood Division war an die vordere Umschlaginnenseite geheftet.
Eldon Salcido war zusammengeschlagen und halb bewusstlos um 6 Uhr 12 im Rinnstein eines Wohnblocks am Poinsettia Place nördlich vom Sunset gefunden worden, drei Querstraßen von der Wohnung seines Vaters an der North Vista entfernt.
Sanitäter hatten ihn hergebracht, und ein Arzt auf der Unfallstation hatte ihn zur Beobachtung eingewiesen. Quetschungen, Hautabschürfungen sowie eine mögliche Gehirnerschütterung, die jedoch später ausgeschlossen wurde. Keine Knochenbrüche. Extreme mentale Erregung und Verwirrung, möglicherweise zusammenhängend mit früherem Alkoholismus, Drogenmissbrauch, Geisteskrankheit oder einer Kombination dieser drei Faktoren. Der Patient hatte sich geweigert, seine Identität anzugeben, aber die Polizisten am Tatort hatten die Personalien ausfindig gemacht. Die Tatsache, dass es sich bei Salcido um einen vorbestraften ehemaligen Straftäter handelte, war ordnungsgemäß verzeichnet worden.
Nachdem der Patient Pflegepersonal angegriffen hatte, hatte man ihn ans Bett gefesselt.
»Wen hat er geschlagen?«, fragte ich.
»Eine unserer Kolleginnen aus der letzten Schicht«, sagte der Krankenpfleger. »Ihr Verbrechen bestand darin, dass sie ihm Orangensaft angeboten hat. Er hat ihr das Glas aus der Hand geschlagen und versucht, ihr einen Boxhieb zu versetzen. Es ist ihr gelungen, ihn einzusperren und das Wachpersonal zu rufen.«
»Ein weiterer Tag im Paradies«, sagte die Frau. »Wahrscheinlich ein Kandidat für den Entzug, aber unsere Entziehungsabteilung hat letzten Monat zugemacht. Sind Sie hier, um ihn wegen einer Verlegung zu untersuchen?«
»Nur um mit ihm zu reden«, sagte ich. »Grundsätzliche Konsultation.«
»Na ja, vielleicht tun Sie es umsonst. Wir finden keine Medi-Cal-Karte von ihm, und er spricht nicht mit uns.«
»Das macht nichts.«
»Hey, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Mir bestimmt nicht. Zimmer 405.«
Sie kam hinter dem Tresen hervor und schloss
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