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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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die Tür auf. Das Zimmer, das so groß wie eine Zelle und grün gestrichen war, hatte ein einziges, vergittertes Fenster, das auf einen Lichtschacht hinausging, ein Einzelbett und eine Infusionsflasche an einem Ständer, die jedoch nicht angeschlossen war. Der Monitor für die Herzstromkurve über dem Kopfteil war abgeschaltet, genauso wie der winzige Fernseher, der an der gegenüberliegenden Wand mit Winkelträgern befestigt war. Ein leises Summen undefinierbarer Herkunft drang zum Fenster herein.
    Donny Salcido Mate lag mit entblößter Brust auf dem Rücken, gefesselt mit Lederhandschellen, und starrte an die Decke. Ein straff gespanntes Bettlaken mit Schweißflecken verhinderte, dass er sich von der Taille abwärts bewegen konnte. Sein Oberkörper war haarlos, unterernährt und von einem gebrochenen Weiß an den Stellen, die nicht blauschwarz waren.
    Blaue Spiralen wanden sich auf seiner Haut, Tätowierungen, die sich auf seinem Rücken und auf beiden bandagierten Armen fortsetzten. Getrocknetes Blut verkrustete die Ränder der Verbände. Ein Streifen Mull war um seine Stirn gewickelt worden, ein kleineres Rechteck befand sich unter seinem Kinn. Unter beiden Augen hatte er purpurne Blutergüsse, und seine Unterlippe sah aus wie eine dicke Scheibe Leber. Zwischen den Bandagen blitzten weitere Hautbilder hervor: das heimtückische Gesicht einer mit gefährlich aussehenden Giftzähnen versehenen Kobra, eine wabblige, nackte Frau mit einem traurigen Mund und einem weit aufgerissenen Auge, aus dem eine einzelne Träne rann. In gotischer Schrift stand darunter: »Donny, Mamacita, Big Boy.«
    Technisch perfekt gemachte Tätowierungen, aber angesichts des Wirrwarrs verspürte ich plötzlich das Bedürfnis, seine Haut neu zu arrangieren.
    »Eine wandelnde Leinwand«, urteilte die strohblonde Schwester. »Wie das Buch von diesem Typen, der die Mars-Chroniken geschrieben hat. Besuch, Mr. Salcido. Ist das nicht großartig?«
    Sie ging hinaus, und die Tür schloss sich mit einem Zischen. Donny Salcido Mate rührte sich nicht. Seine Haare waren lang und strähnig und hatten den verbrannten Bronzeton von altem Motoröl. Ein ungestutzter, zwei Schattierungen dunklerer Bart bedeckte sein Gesicht von den Wangenknochen bis zum Unterkiefer.
    Er besaß keine Ähnlichkeit mit dem Verbrecherfoto, das ich gesehen hatte. Das erinnerte mich an den Bart, den Michael Burke sich hatte wachsen lassen, als er in Ann Arbor zu Huey Mitchell geworden war. Tatsächlich hatte Donnys stark behaartes Gesicht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem von Mitchell. Aber er war nicht derselbe Mann. In seinem Blick war nichts von jener kalten, leeren Trägheit zu erkennen. Diese wässrigen braunen Augen waren munter, erregt, hyperaktiv. Hundert Prozent verängstigstes Beutetier, kein Killer.
    Ich trat näher an das Bett heran. Donny Salcido stöhnte und drehte sich weg von mir. Eine tätowierte Ranke wand sich an seiner Halsschlagader empor und verschwand in seinem Bart wie eine Kletterrose. Eine gelbliche Kruste zog sich über die Ränder seines Schnurrbarts. Seine Lippen waren aufgesprungen, seine Nase war, wenn auch nicht in jüngster Zeit, vermutlich mehrfach gebrochen worden; der Knorpel zwischen seinen Augen war eingesunken, als wäre er mit einer stumpfen Klinge ausgeschabt worden, während das Fleisch darunter wie ein Nest gähnender schwarzer Poren aussah. An den Stellen, an denen er mit Betadin desinfiziert worden war, zeigten sich organgefarbene Flecken, aber wer immer ihn auch gesäubert hatte, hatte den Gestank der Straße nicht eleminieren können.
    »Mr. Salcido, ich bin Dr. Delaware.«
    Seine Augen schlossen sich.
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Lassen Sie mich hier raus.« Seine Aussprache war klar, kein Verschleifen von Silben. Ich wartete und ließ mich von dem Hautgemälde gefangen nehmen. Feine Schattierungen, gute Komposition. Dann suchte ich nach einem Bild, das zu seinem Vater passen würde, ohne jedoch etwas zu finden, das offensichtlich gewesen wäre. Die Tätowierungen schienen ineinander überzugreifen, eine Verbindung von Talent und Chaos.
    Mehrere Höcker in seiner Armbeuge fielen mir ins Auge, entzündete Einstichnarben.
    Seine Augen öffneten sich. »Machen Sie diese Dinger ab«, sagte er und rüttelte an seinen Handfesseln.
    »Die Schwestern sind ein bisschen ärgerlich geworden, als Sie versucht haben, eine von ihnen zu schlagen.«
    »So war das nicht.«
    »Sie haben nicht versucht, eine Schwester zu schlagen?«
    Er schüttelte den

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