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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Kopf. »Sie war mir gegenüber aggressiv und hat versucht, mir mit Gewalt Saft in die Luftröhre zu gießen. Nicht in die Speiseröhre, in die Luftröhre, kapiert? Nasopharynx, Epiglottis - wissen Sie, was passiert, wenn man das macht?«
    »Man erstickt.«
    »Man aspiriert. Die Flüssigkeit geht direkt in die Lungen. Selbst wenn man nicht erstickt, entsteht dadurch eine pleurale Jauchegrube, eine perfekte Kultur für Bakterien. Sie war darauf aus, mich zu ertränken - und wenn sie das nicht schaffen würde, mich zu infizieren.« Seine graue, pelzige Zunge fuhr sanft über seine Lippen. Er schluckte trocken.
    »Durstig?«, fragte ich.
    »Kriege keine Luft. Machen Sie mir diese Dinger ab.«
    »Wie sind Sie zu Ihren Verletzungen gekommen?«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Sie sind doch der Arzt.«
    »Die Polizei sagt, jemand hätte Sie geschlagen.«
    »Nicht jemand. Mehrere. Ich bin überfallen worden.«
    »Dort am Poinsettia Place?«
    »Nein, in San Francisco. Ich bin den ganzen Weg hierher gelaufen, weil ich unbedingt in dieser wundervollen Klinik behandelt werden wollte.« Er wandte den Kopf in meine Richtung. »Sie holen mich besser hier raus oder geben mir mein Tegretol. Wenn ich mein Tegretol nicht mehr bekomme, werde ich interessant.«
    »Leiden Sie unter epileptischen Anfällen?«
    »Nein, Sie Blödmann. Kognitive Funktionsstörungen, affektive Verwirrung, Unfähigkeit, emotionale Ausbrüche zu kontrollieren. Ich neige zu starken Stimmungsschwankungen, wenn ich zu unglücklich bin und alles drunter und drüber geht, lässt sich nicht sagen, was ich tun werde.« Seine Handgelenke fuhren nach oben. Die Handschellen klapperten lauter.
    »Wer hat Ihnen das Tegretol verschrieben?«
    »Ich. Ich habe einen Vorrat in meiner Bude, aber ihr angeblichen Heiler wollt mich ja nicht dranlassen.«
    »Wo ist Ihre Bude?«
    »Ich weiß es, aber Sie müssen’s rausfinden.«
    »Welche Dosis haben Sie genommen?«
    »Kommt drauf an«, sagte er grinsend. Sein Zahnfleisch war geschwollen, entzündet und an den Zahnhälsen bereits schwarz verfault. »Dreihundert Milligramm an guten Tagen und mehr, wenn ich mich schlecht fühle - Sie sollten lieber aufpassen, ich kriege gerade wieder dieses schlechte Gefühl. Das alte Prodrom: alles wird durchscheinend, kreisförmig, konvex, Kolben pumpen, und das Herz macht Sprünge. Bald werde ich völlig durch den Wind sein, wer weiß, vielleicht reiße ich mich von diesen Dingern hier los und fresse Sie auf- wo ist Ihr weißer Kittel, was sind Sie überhaupt für ein Doktor?«
    »Psychologe.«
    »Scheiße. Nutzlos. Holen Sie mir jemanden, der ein Rezept ausstellen kann. Oder lassen Sie mich hier raus. Ich bin das Opfer, und wenn die Geschichte erst mal rauskommt, werden Sie und alle anderen, die damit zu tun haben, nicht besonders gut aussehen. Angenommen, die Verleger drucken es. Aber das tun sie nicht. Die gehören auch dazu.«
    »Wozu?«
    »Zu der großen Verschwörung, die mein Gehirn verwüsten wird.« Er lächelte. »Nein, das ist Blödsinn. Ich bin nicht paranoid, ich leide an Stimmungsschwankungen.«
    »Wer hat Sie angegriffen?«, fragte ich.
    »Mexikaner. Eine Bande. Straßenräuber. Illegale Ausländer, Abschaum der Gesellschaft.«
    »Haben sie versucht, Sie auszurauben?«
    »Sie haben es versucht, und sie haben es geschafft. Ich gehe die Straße hinunter, kümmere mich um meine Angelegenheiten, da fahren sie an den Bordstein, steigen aus, prügeln mir die Scheiße aus dem Leib und durchsuchen meine Taschen.«
    »Was haben sie mitgenommen?«
    »Alles, was ich drin hatte.« Er schüttelte den Kopf. »Sie sind nutzlos, ich beende dieses Gespräch.«
    »Hatten Sie eine Waffe bei sich?«, fragte ich. Er begann zu summen.
    »Poinsettia ist drei Querstraßen von der Wohnung Ihres Vaters entfernt.«
    Das Summen wurde lauter. Seine Augenlider zuckten, seine Atmung beschleunigte sich.
    »Hatten Sie vor, der Wohnung Ihres Vaters einen Besuch abzustatten?«, sagte ich und versuchte seine Geräusche zu übertönen. »Als Sie es das letzte Mal versucht haben, sind Sie von der Frau im Erdgeschoss gestört worden. Wie oft waren Sie drin?«
    Sein Kopf fuhr zu mir herum. »Ich werde Ihnen die Nase abbeißen. Auge um Auge - ich werde mich dafür rächen, was dieser andere Psychologe getan hat - Lecter. Nein, er war Psychiater, das war ein großartiger Film. Ich habe ihn gesehen und danach wochenlang Fava-Bohnen gegessen.«
    »Haben Sie Ihren Vater getötet?«, fragte

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