Gnadentod
verging. »Du hast auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um mich zu informieren?«
»Das habe ich tatsächlich. Bis vor ein paar Stunden konnte ich dir noch nichts sagen, weil sogar die Tatsache, dass ich mit der Familie gesprochen hatte, vertraulich war. Dann hat Mr. Doss angerufen und mich um einen Termin mit seiner Tochter gebeten, deshalb habe ich angenommen, dass ich mich aus dem Fall Mate zurückziehen müsste. Aber er will, dass ich das nicht tue.«
»Man muss Prioritäten setzen, hm?« Seine Kiefermuskeln traten hervor.
Ich gab keine Antwort.
»Und wenn er gesagt hätte, du solltest es nicht erwähnen?«
»Dann hätte ich mich zurückgezogen und dir gesagt, ich könnte dir nicht erklären, warum.«
Die nächsten Minuten vergingen erneut schweigend. Er dehnte wieder seinen Hals. »Doss … klar, Familie wohnt hier in der Nähe - in den Palisades. Steht ziemlich am Ende der Liste - seine Frau war Anfang vierzig.«
»Reisende Nummer achtundvierzig«, sagte ich.
»Du kanntest sie?«
»Nein, sie war schon tot, als Stacy - die Tochter - zu mir in die Therapie kam.«
»Mr. Doss ist einer derjenigen, die trotz mehrfacher Anrufe nicht zurückgerufen haben.«
»Er ist häufig unterwegs.«
»Tatsächlich … Ist irgendetwas mit ihm, worauf ich Acht geben muss?«
»Woran denkst du?«
Er zuckte mit den Schultern. »Das solltest du mir erzählen. Er hat dir doch grünes Licht gegeben, oder?«
Er hielt den Blick auf den Freeway gerichtet, dennoch fühlte ich mich beobachtet.
»Tut mir Leid, wenn dir das gegen den Strich geht«, sagte ich. »Vielleicht hätte ich dir bei diesem Fall von Anfang an einen Korb geben sollen.«
Pause. Lange Pause, als zöge er diese Möglichkeit in Betracht. »Nein, ich benehme mich nur wie ein sturer Bock … was war denn mit Mrs. Doss los, dass sie Dr. Mate aufsuchen musste?«, sagte er schließlich.
»Sie war einer der Fälle ohne Diagnose, von denen ich gesprochen habe. Ihr Zustand hat sich immer weiter verschlechtert. Müdigkeit, chronische Schmerzen, hat sich völlig zurückgezogen, ist den ganzen Tag im Bett geblieben. Hat fünfundvierzig Kilo zugenommen.«
Er stieß einen Pfiff aus und legte eine Hand auf seinen üppigen Bauch. »Und man hat keine Ahnung, worauf das alles zurückzuführen ist?«
»Sie war bei zahllosen Ärzten, aber man hat nie eine richtige Diagnose gestellt«, sagte ich.
»Vielleicht ein Psycho-Problem?«
»Wie gesagt, Milo, ich habe sie nie kennen gelernt.«
Er lächelte. »Das heißt, du glaubst auch, dass es vielleicht ein Psycho-Problem war … und Mate hat sie trotzdem getötet - Verzeihung, ihr bei ihrer Reise assistiert. Das könnte ein Mitglied der Familie schon in Rage bringen, wenn sie davon ausgegangen sind, dass sie nicht wirklich krank war.«
Er wartete.
Ich sagte nichts.
»Wie viel Zeit war seit ihrem Tod verstrichen, als die Tochter zu dir kam?«
»Drei Monate.«
»Warum kommt sie jetzt wieder zu dir? Hat das etwas mit dem Mord an Mate zu tun?«
»Dazu kann ich nichts sagen«, sagte ich. »Halten wir einfach fest, dass es nichts ist, was dich zu kümmern braucht.«
»Irgendetwas, das jetzt zufällig aufgetreten ist, nachdem Mate getötet worden ist?«
»Das College«, sagte ich. »Jetzt ist die Phase, in der sich die jungen Leute ernsthaft Gedanken über das passende College machen, an dem sie sich bewerben sollen.«
Er schwieg. Auf dem Freeway war ungewöhnlich wenig Verkehr, und die Stelle, an der der 101 den Highway kreuzt, kam rasch näher. Milo nahm die Auffahrt nach Osten, und wir fädelten uns in den etwas dichteren Verkehr ein. Orangefarbene Schilder kündigten bevorstehende Bauarbeiten während der nächsten anderthalb Jahre an. Alle fuhren zwanzig Kilometer über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, als ginge es darum, sich vorher noch ein paar Strafzettel einzufangen.
Er sagte: »Also willst du mir damit sagen, Mr. Doss ist wie alle andern - ein großer Fan von Mate?«
»Ich überlasse es ihm, sich zu diesem Thema zu äußern.«
Er lächelte wieder, wenn auch alles andere als freundlich. »Der Bursche konnte Mate nicht ausstehen.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Nein, hast du nicht.« Er nahm ein wenig Gas weg. Wir fuhren an den Ausfahrten Van Nuys, Sherman Oaks und North Hollywood vorbei. Der Freeway wurde zum 134.
»Ich bin auf eine Feministenzeitschrift gestoßen, in der behauptet wird, Mate habe Frauen gehasst, weil achtzig Prozent seiner Reisenden Frauen waren und man ihn nie mit einer gesehen
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