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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hat. Weißt du irgendwas über sein Privatleben?«
    Abrupter Themenwechsel. Er wusste, was ich da tat, unternahm jedoch nichts dagegen. »Bis jetzt nicht. Er hat allein gelebt, und seine Vermieterin sagt, sie hätte ihn nie mit jemandem aus der Wohnung kommen sehen. Das Standesamtregister habe ich noch nicht überprüft, aber es hat sich noch niemand gemeldet und Anspruch auf Versicherungsleistungen erhoben.«
    »Ich bezweifle, dass jemand wie er eine Lebensversicherung abschließen würde«, sagte ich.
    »Warum nicht?«, sagte er.
    »Ich glaube nicht, dass er dem Leben einen großen Wert beigemessen hat.«
    »Nun ja, vielleicht hast du Recht - ich habe nämlich keine Policen in seiner Wohnung gefunden. Andererseits könnten seine sämtlichen Unterlagen bei diesem gottverdammten Anwalt sein, Haiseiden, der immer noch nicht erreichbar ist. Vielleicht kann uns Ms. Zoghbie einen Tipp geben, wie wir an ihn herankommen.«
    »Hast du über sie noch irgendetwas herausbekommen?«
    »Sie ist nie straffällig geworden, nicht mal Strafzettel für Falschparken. Ich schätze, sie fährt einfach auf Leute ab, die sterben. Anscheinend passiert in dieser Hinsicht eine ganze Menge, nicht wahr? Oder vielleicht ist das auch nur mein persönlicher Eindruck.«
     
    Wenn Alice Zoghbie der Kultivierung des Todes etwas abgewinnen konnte, dann zeigte sich das zumindest nicht in der Anlage ihres Gartens.
    Sie lebte in einem mit vanillefarbenem Stuck verzierten englischen Landhaus, das mitten auf einem bescheidenen Grundstück in den Hügeln im Norden Glendales stand. Ein bezauberndes Haus, auf dessen fleckenlosem Schindeldach auf dem Eckturm über dem Eingang ein kupferner Hahn als Wetterfahne angebracht war. Zurückgezogene weiße Vorhänge rahmten makellose senkrecht unterteilte Fenster. Ein Plattenweg wand sich bis zu einem eisernen Vordach über einer mit Schnitzereien verzierten Eichentür. Wälle von Blumen, die der Höhe nach angeordnet waren, säumten das Haus: das zerknitterte Blattwerk und die purpurfarbenen Blüten von Seenelken, dann die sich bauschenden Wolken von Springkraut in mehreren Farben, die von einer niedrigen Rabatte irgendeiner weißen Kriechblüte eingefasst waren.
    Ein weißer Audi stand in der mit Kopfsteinen gepflasterten Einfahrt im Schatten einer jungen, sorgfältig gestutzten Steineibe, die immer noch an einem Stützpfahl stand. Auf der anderen Seite des Plattenwegs stand eine gleichermaßen zurechtgeschnittene, wenn auch wesentlich größere Platane. Wo die Sonne auf den abfallenden Rasen traf, war er so grün, dass die Farbe wie mit der Spritzpistole aufgetragen wirkte. Der große Baum hatte begonnen, seine Blätter abzuwerfen, und die rostbraunen Sprenkel auf Gras und Steinen waren der einzige Hinweis darauf, dass nicht alles kontrolliert werden konnte.
    Milo parkte den Wagen auf der Straße, und wir gingen den Pfad zum Haus hinauf. Der Messingtürklopfer hatte die Form eines großen Ziegenkopfs, und Milo hob den oberen Teil des Schädels an, wodurch das Tier anzüglich zu lachen schien, und ließ den Oberkiefer fallen, dass das Eichenholz vibrierte. Noch bevor das Geräusch erstarb, wurde die Tür geöffnet.
    »Detectives?«, sagte die Frau an der Tür. Sie drückte uns beiden kräftig die Hand. »Bitte! Treten Sie ein!«
    Alice Zoghbie war tatsächlich um die fünfzig - Anfang fünfzig meiner Schätzung nach. Aber trotz ihrer sonnenverwitterten Haut und ihres üppigen weißen Haars machte sie eher einen jugendlichen Eindruck.
    Hoch gewachsen, schlank, voller Busen, kräftige eckige Schultern, lange Gliedmaßen, rosiger Hauch auf dem Allwetterteint und große blaue Augen. Als sie uns durch die runde Eingangsdiele in ein kleines, elegantes Wohnzimmer führte, nahm ihr Gang einen tänzerischen Schwung an - rasch und gelenkig, mit schwingenden Armen und wiegenden Hüften.
    Das Zimmer war genauso sorgfältig gestaltet wie die Blumenbeete. Gelbe Wände, weißer Deckenstuck, ein rotes Damastsofa, diverse mit geblümtem Stoff bezogene Sessel. Kleine Tische waren von jemandem, der ein Händchen dafür hatte, innenarchitektonisch wirkungsvoll platziert worden. An den Wänden hingen kalifornische Ölgemälde, alle in zeitgenössischen vergoldeten Rahmen. Sie sahen nicht teuer aus, aber jedes Bild hing genau am richtigen Platz.
    Alice Zoghbie stand vor einem blauen Brokatsessel und deutete auf die rote Couch. Nachdem wir uns gesetzt hatten, nahm sie auf dem Sessel Platz, schlug ein Bein über das andere und strich sich

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