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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ihre weißen Ponyfransen glatt. Wir sanken tief in die Daunenkissen auf dem Sofa ein, Milo mit seinem Gewicht noch tiefer als ich, und er fühlte sich sichtlich unbehaglich.
    Alice Zoghbie verschränkte ihre Hände im Schoß. Ihr Gesicht war rund, straff um den Unterkiefer, und in der Augenpartie waren Falten zu sehen. Sie trug einen unförmigen babyblauen Rollkragenpulli aus Kaschmir, eine gebügelte Bluejeans, weiße Socken und weiße Wildlederschuhe. Ihre Ohrläppchen bedeckten große silberne Perlen, und eine mit mehrfarbigen Steinen im Cabochon-Schnitt besetzte Goldkette schmiegte sich an ihren wogenden Busen. An ihren Fingern steckten keine Ringe. Zwischen uns stand ein Beistelltisch mit einer gekachelten Platte, auf dem eine japanische Imari-Schale voller Süßigkeiten stand. Goldene und grüne Klumpen, Karamellbonbons und Pfefferminz.
    »Bitte sehr«, sagte sie und zeigte auf die Schale. Es gelang ihr, unbeschwert zu klingen, obwohl sie eine ernste Miene aufgesetzt hatte.
    »Nein, danke«, sagte Milo. »Schön, dass Sie Zeit für uns hatten, Ma’am.«
    »Das ist alles so grauenhaft. Haben Sie eine Ahnung, wer Eldon geopfert hat?«
    »Geopfert?«
    »So war es doch«, sagte sie. »Irgendein fanatisches Arschloch, das klar machen wollte, worum es ihm geht.« Sie starrte auf ihre Hand hinab, die sie zu einer Faust geballt hatte, und öffnete sie wieder.
    »Eldon und ich haben über das Risiko gesprochen - irgendein Irrer beschließt, Schlagzeilen zu machen. Er hat behauptet, dazu käme es nie, und ich habe ihm geglaubt, doch es ist dazu gekommen, nicht wahr?«
    »Also hatte Dr. Mate keine Angst.«
    »Angst war kein Kriterium, an dem Eldon sich orientiert hat. Er war sein eigener Herr. Er wusste, dass die einzige Methode, seine eigene Reise zu bestimmen, darin bestand, dass man die Bedingungen bestimmte. Eldon war mit Leib und Seele bei der Sache. Er hatte vor, noch lange, lange unter uns zu sein.«
    Milo bewegte erneut seinen massigen Körper, als versuche er, in einem Meer aus roter Seide an der Oberfläche zu bleiben. Doch er sank nur noch tiefer ein, bis er schließlich auf der Couch ein Stück nach vorne rückte. »Aber Sie haben mit ihm über die Gefahr gesprochen.«
    »Ich habe es zur Sprache gebracht. Ganz allgemein, deshalb gibt es kein spezielles Arschloch, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit lenken kanii. Vielleicht war es einer dieser erbärmlichen Krüppel, die an ihm herumgemeckert haben.«
    »Still Alive«, sagte ich.
    »Sie oder ähnliche Typen.«
    Milo sagte: »Sie haben über das Problem ganz allgemein gesprochen, aber ist irgendetwas Konkretes vorgefallen, worüber Sie sich Sorgen gemacht haben, Ma’am?«
    »Nein, ich wollte nur, dass Eldon vorsichtiger war. Er wollte nichts davon hören. Er hat einfach nicht geglaubt, dass ihm jemand etwas tun würde.«
    »Was sollte er denn Ihrer Ansicht nach tun?«
    »Einfachste Sicherheitsmaßnahmen. Waren Sie schon in seiner Wohnung?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Dann wissen Sie ja Bescheid. Das ist doch ein Witz, jeder kann einfach so hineinspazieren. Eldon war nicht leichtsinnig, er hat einfach nicht ausreichend auf seine Umgebung geachtet, wie die meisten brillanten Menschen. Nehmen Sie Einstein. Irgendeine Stiftung hat ihm einen Scheck über zehntausend Dollar geschenkt, und er hat ihn nie eingelöst.«
    »Dr. Mate war brillant«, sagte Milo.
    Alice Zoghbie starrte ihn an. »Dr. Mate war einer der großen Geister unserer Generation.«
    In meinen Augen passte das nicht so recht zu einem Medizinstudium in Mexiko, einer Stelle als Assistenzart an irgendeinem obskuren Krankenhaus und den Jobs in der Gesundheitsbürokratie. Alice Zoghbie ahnte möglicherweise, woran ich dachte, denn sie wandte sich mir zu. »Einstein hat irgendwo in einer Behörde gearbeitet, bis die Welt ihn entdeckte. Die Welt war nicht klug genug, um ihn zu verstehen. Eldon hatte einen Verstand, der einfach nie aufgehört hat zu arbeiten. Er hat die ganze Zeit nachgedacht. Naturwissenschaften, Geschichte, was Sie wollen. Und anders als die meisten Leute haben ihn nicht seine persönlichen Umstände blind gemacht.«
    »Weil er allein lebte?«, fragte ich.
    »Nein, nein, das meine ich nicht. Er hat sich nicht von Dingen ablenken lassen, die irrelevant waren. Ich wette, Sie vermuten, dass seine eigenen Eltern schreiend vor Schmerzen gestorben sind und dass er deshalb beschlossen hat, sein Leben der Linderung von Schmerzen zu widmen.« Ihre Hand zeichnete ein unsichtbares X in die Luft. »Falsch.

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