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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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verkündete sie, es gäbe nichts mehr, was sie über ihre Mutter sagen könne, deshalb würde sie ihre Aufmerksamkeit nun lieber auf ihre Zukunft richten. Denn am Ende hätte sie beschlossen, sie wolle vielleicht doch eine Zukunft haben.
    »Vielleicht doch Architektur.« Sie lächelte. »Ich habe alles andere ausgeschlossen. Ich mache Fortschritte, Dr. Delaware. Ich stelle mich auf Architektur in Stanford ein, und alle werden glücklich sein.«
    »Sie eingeschlossen?«
    »Ich definitiv eingeschlossen. Es hat keinen Sinn, irgendwas zu tun, wenn es mich nicht zufrieden stellt. Vielen Dank, dass Sie mich zu dieser Einsicht gebracht haben.«
    Sie war bereit, die Therapie zu beenden, dennoch ermutigte ich sie, noch einmal zu kommen. In der darauf folgenden Woche kam sie mit Broschüren und dem Vorlesungsverzeichnis von Stanford und ging den Studienplan für Architektur mit mir durch, während sie mir erzählte, sie sei ziemlich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte sie, »würde ich gern wiederkommen, wenn ich mich im nächsten Jahr immatrikuliere. Vielleicht können Sie mir ja ein paar Tipps geben - wenn Sie so etwas überhaupt machen.«
    »Natürlich. Mit Vergnügen. Und melden Sie sich bitte, wann immer Sie ein Problem haben.«
    »Sie sind sehr nett«, sagte sie. »Es war sehr lehrreich, Sie kennen zu lernen.«
    Ich musste sie nicht fragen, was sie damit meinte. Ich war ein Mann, der weder ihr Vater noch ihr Bruder war.

13
    Es war fast zehn Uhr abends, als ich die Akte zuschlug.
    Als Stacy mit der Therapie aufhörte, hatte sie behauptet, sie wisse jetzt, was sie wolle. An diesem Morgen hatte ihr Vater jedoch angedeutet, die Veränderung sei nur kurzfristig gewesen. Sie hatte versprochen, sich zu melden, hatte es aber nie getan. Die normale Teenagerunzuverlässigkeit? Wollte sie nicht, dass ich sie als therapeutischen Misserfolg betrachtete?
    Trotz ihrer Unabhängigkeitserklärung hatte ich sie nicht als Triumph angesehen. Man konnte das, was sie durchgemacht hatte, nicht in dreizehn Sitzungen bewältigen. Vermutlich hatte ich die ganze Zeit über gewusst, dass sie mit etwas hinter dem Berg gehalten hatte.
    Würden wir morgen früh wirklich über das College reden?
    Ich blätterte erneut die Akte durch und stieß auf etwas in meinen Notizen zur elften Sitzung. Ich hatte mir bewusst eine Kurzschrift angewöhnt, das Resultat zu vieler gerichtlicher Vorladungen.
    Pt. erw. Vat. Feindseligkeit gg. Mate.
    Das war alles, was die beiden tun konnten, wenn sie mit etwas konfrontiert wurden, das sie nicht unter Kontrolle hatten. Wütend darauf werden. Typische Männerreaktion, stocksauer werden, es zerquetschen wollen.
    Das Telefon klingelte.
    »Dr. Delaware, das kam vor einer Stunde rein«, sagte die Frau von meinem Telefondienst. »Ein Mr. Fusco, er sagte, Sie könnten ihn jederzeit zurückrufen.«
    Der Name sagte mir nichts. Ich bat sie, ihn zu buchstabieren.
    »Leimert Fusco. Ich dachte, er hieße Leonard, aber es ist Leimert.« Sie las eine Nummer in Westwood vor. »Stellen Sie sich vor, Doktor - er sagte, er sei vom FBI.«
    Das Federal Building, wo das FBI einen Sitz in L. A. hatte, lag in Westwood an der Kreuzung von Wilshire und Veteran, nur ein paar Querstraßen von Roy Haiseidens Haus entfernt. Ob es etwas damit zu tun hatte? Warum rief er dann mich an und nicht Milo?
    Ich sollte lieber zuerst mit Milo reden. Ich ging davon aus, dass ihn die frustrierenden Ereignisse dieses Tages veranlassten, am Ball zu bleiben, und rief ihn daher im Revier an. Doch weder dort noch bei ihm zu Hause ging jemand an den Apparat, und sein Handy war abgeschaltet.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich das Richtige tat, als ich Fuscos Nummer eintippte. Eine tiefe, raue Stimme rezitierte den üblichen Spruch: »Hier spricht Special Agent Leimert Fusco. Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht.«
    »Hier spricht Dr. Alex Delaware. Sie haben mir eine -«
    »Doktor«, unterbrach mich dieselbe Stimme. »Vielen Dank, dass Sie so rasch zurückrufen.«
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich habe die Anweisung, mir eine polizeiliche Untersuchung anzusehen, an der Sie zurzeit arbeiten.«
    »Welcher Fall ist das?«
    Er lachte. »An wie vielen polizeilichen Untersuchungen arbeiten Sie denn im Moment? Keine Sorge, Doktor, ich bin über Ihre Verbindung zu Detective Sturgis unterrichtet und habe es mit ihm abgeklärt. Ich treffe mich demnächst mit ihm, und er war nicht sicher, ob Sie es schaffen würden,

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