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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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die Sache aufklärte.
    Er tauchte um kurz nach eins bei mir zu Hause auf.
    »Du hattest einen ruhigen Vormittag, nicht?«, sagte er und ging an mir vorbei in die Küche. Ihn und meinen Kühlschrank verbindet eine alte Freundschaft, und bevor Milo eine Zwei-Liter-Tüte Milch und einen reifen Pfirsich herausnahm, begrüßte er ihn mit einem kaum merklichen Lächeln. Er warf einen Blick in die Tüte und murmelte: »Nicht mehr viel drin, da brauche ich kein Glas.«
    Er nahm die Milch mit an den Tisch, setzte die Tüte an, schluckte, wischte sich den Mund ab und attackierte den Pfirsich, als wolle er sich an sämtlichen Früchten dieser Welt rächen.
    »Keine Sitzung mit der kleinen Ms. Doss«, sagte er. »Swami Milo weiß Bescheid, weil Ms. Doss ziemlich genau zu der Zeit, als sie bei dir sein sollte, in Daddys Büro kam. Just in dem Moment, als ich anfing, mit Daddy zu sprechen. Irgendwas war mit ihrem Bruder. Sieht so aus, als sei er weggelaufen.«
    »Von Stanford?«
    »Von Stanford. Doss hatte meinen Elf-Uhr-Termin um eine Stunde vorverlegt, und ich war gerade in sein Allerheiligstes vorgedrungen - bist du schon mal da gewesen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Eine Penthouse-Suite mit Blick aufs Meer, Manageraccessoires plus kleines Privatmuseum. Antiquitäten, Gemälde, und vor allen Dingen ganze Wände voll mit zerbrechlichem Glas und Porzellan aus dem Fernen Osten - Hunderte von Schalen, Vasen, Statuen, kleinen Weihrauchbrennern, was auch immer. Und das alles steht auf Glasregalen, durch die es aussieht, als schwebte alles. Ich hatte Angst, tief einzuatmen, aber vielleicht geht es ihm ja genau darum. Vielleicht wollte er mich durch die Änderung des Termins aus dem Gleichgewicht bringen. Er hat die Nachricht um Mitternacht hinterlassen, und ich habe sie nur durch einen glücklichen Zufall bekommen. Ich nehme an, er hatte geplant, dass ich sie nicht bekomme und um elf auftauche, sodass er sagen kann, ach, wie blöd. Jedenfalls war ich rechtzeitig da, wartete, wurde schließlich hineingeführt, und da sitzt Doss hinter seinem superbreiten Schreibtisch, der so tief ist, dass ich mir fast die Wirbelsäule breche, als ich ihm die Hand gebe - der Kerl durchdenkt alles bis ins letzte Detail, nicht wahr, Alex?«
    Ich dachte daran, wie ich mich nach den Fotos hatte recken müssen. »Und was ist dann passiert?«
    »Ich hatte kaum den Hintern auf dem Sessel, da rülpst seine Gegensprechanlage: >Stacy ist hier.< Und das haut Doss um. Noch bevor der Hörer wieder auf der Gabel liegt, stürzt das Mädchen herein, als müsste sie ihrem Daddy dringend etwas erzählen. Dann sieht sie mich, wirft Daddy einen dieser Wir-müssen-unter-vier-Augen-reden-Blicke zu, und Doss bittet mich, einen Moment den Raum zu verlassen. Ich gehe zurück ins Wartezimmer, aber die Sekretärin ist am Telefon und sitzt mit dem Rücken zur Tür, also lasse ich sie einen Spalt offen stehen - ich weiß, das ist ungezogen, aber…«
    Das typische Detective-Grinsen, voller Argwohn und Schadenfreude, breitete sich auf seinem Gesicht aus.
    »Vor allem klang es verdammt nach Besorgnis. Ständig ging es um >Stanford< und >Eric<, deshalb musste es etwas mit ihrem Bruder zu tun haben. Dann beginnt Doss ihr Fragen zu stellen - >Wann?< >Wie?< »Bist du sicher?< Als wäre es ihr Fehler, was da vor sich geht. In diesem Moment legt die Sekretärin auf, dreht sich um, wirft mir einen mörderischen Blick zu und schließt die Tür. Ich musste weitere zehn Minuten da draußen warten.«
    Er aß den Pfirsich und riss mit den Zähnen goldgelbes Fruchtfleisch vom Kern ab, dann griff er nach der Milch und hielt die Öffnung mehrere Zentimeter von seinem Mund entfernt. Weiße Flüssigkeit strömte in einem hohen Bogen in seine Kehle. Seine Halsmuskeln pulsierten. Als er die leere Tüte absetzte, zerknüllte er sie und sagte: »Ahhh, tut das gut.«
    »Was sonst noch?«, fragte ich.
    »Ein paar Minuten später kommt Stacy, die einen sehr nervösen Eindruck macht, wieder heraus und geht. Dann erscheint Doss und sagt mir, er hätte keine Zeit, mit mir zu reden, ein Notfall in der Familie. Ich ziehe die Freund-und-Helfer-Nummer ab: Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein, Sir? Doss sieht mich an, als wollte er sagen: Wem willst du was vormachen, du Trottel. Dann sagt er, ich solle einen neuen Termin mit seiner Sekretärin vereinbaren, und geht in seinen Porzellan-Palast zurück. Die Sekretärin schaut in ihr Buch und sagt: Morgen ist nichts frei, aber wie wäre es mit

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