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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sagte, er weiß, wie man sich anpasst.«
    »Was hielt Ihre Mutter von dem Porzellan?«
    »Sie hat keine Meinung dazu geäußert, zumindest habe ich nichts davon mitbekommen. Sie hat sich kaum noch zu irgendetwas eine Meinung gebildet - Eric gefällt das Porzellan. Er kann es gern erben, mir ist es völlig egal.« Plötzlich glitt ein Lächeln über ihre Züge. »Ich bin die Königin von Apathien.«
     
    Am Ende der sechsten Sitzung sagte sie: »Manchmal frage ich mich, was für eine Art von Mann ich mal heiraten werde. Ich meine, wird es ein dominanter Typ sein wie Dad oder Eric, weil es das ist, woran ich gewöhnt bin, oder gehe ich in eine genau entgegengesetzte Richtung. Nicht dass ich konkret darüber nachdächte, es ist nur so, dass Eric übers Wochenende hier war, und die beiden haben an irgendeiner Auktion mit asiatischer Kunst teilgenommen. Ich habe beobachtet, wie sie aus dem Haus gegangen sind - wie Zwillinge. Das ist im Grunde alles, was ich über Männer weiß.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Dad kauft noch immer irgendwelche Sachen. Manchmal denke ich, das ist es, worum es ihm wirklich geht - Expansion. Als wäre eine einzige Welt nicht groß genug für ihn - Eric hat überlegt, ob er mich nicht heute begleiten soll, um Sie kennen zu lernen.«
    »Warum?«
    »Seine Seminare fangen erst morgen wieder an, und er hat mich gefragt, ob ich nicht mit ihm ausgehen wollte, bevor er heute Nacht zurückfliegt. Ist das nicht süß von ihm? Er ist wirklich ein guter Bruder. Ich habe zu ihm gesagt, dass ich zuerst zu Ihnen müsste. Er wusste nichts von Ihnen, Dad macht eine große Sache aus dieser Vertraulichkeit. Er hat mir einen langen Vortrag darüber gehalten, dass ich, obwohl ich noch nicht achtzehn bin, die Rechte eines Erwachsenen hätte, zumindest soweit es ihn betrifft. Als machte er mir damit ein großes Geschenk, aber ich glaube, es ist ihm ein bisschen peinlich. Als ich einmal auf Beckys Therapie zu sprechen gekommen bin, hat er sehr schnell das Thema gewechselt … Jedenfalls wusste Eric nichts von Ihnen, und er war ziemlich überrascht. Er hat angefangen, mir all diese Fragen zu stellen, und wollte wissen, ob Sie klug wären, wo Sie Ihren Abschluss gemacht haben. Und plötzlich fiel mir auf, dass ich es gar nicht wusste.«
    Ich zeigte auf meine Urkunden.
    »Die gute alte Uni. Nicht Stanford oder die Ivys, aber er wird vermutlich damit zufrieden sein«, sagte sie.
    »Haben Sie das Bedürfnis, Eric zufrieden zu stellen?«
    »Klar, er ist der Klügere … Nein, er hat ein Recht auf seine Meinung, aber ich lasse mich nicht davon beeinflussen. Er hat beschlossen, nicht mitzukommen, sondern ist Rad fahren gegangen. Vielleicht lernen Sie ihn ja eines Tages kennen.«
    »Wenn ich brav bin?«
    Sie lachte. »Ja. Eric kennen zu lernen ist eine Belohnung ersten Ranges.«
    Ich hatte lange über Eric nachgedacht. Über diese grässlichen Polaroids, die er von seiner Mutter gemacht hatte. Am Fußende ihres Bettes stehend, hatte er ihr Elend in kaltes, unbarmherziges Licht getaucht. Sein Vater behandelte sie wie Trophäen und trug sie in dieser kleinen Tasche mit sich herum.
    Wie sehr hatte Richard Doss seine Frau gehasst? Ich sagte: »Wie hat Eric auf den Tod Ihrer Mutter reagiert?«
    »Mit Schweigen. Mit stummem Zorn. Er hatte das Semester bereits unterbrochen, um bei ihr sein zu können, und vielleicht war es das für ihn. Denn direkt im Anschluss ist er nach Stanford zurückgegangen.« In ihrer Stimme lag plötzlich eine gewisse Kühle. Sie zupfte an ihrer Nagelhaut und starrte in ihren Schoß.
    Schlechter Schachzug, ihren Bruder ins Spiel zu bringen. Sie sollte im Mittelpunkt des Interesses stehen, sie allein.
    Aber ich fragte mich, ob sie die Schnappschüsse jemals zu Gesicht bekommen hatte.
    »Also«, sagte ich.
    »Also.« Sie sah auf ihre Uhr.
    Noch zehn Minuten. Sie runzelte die Stirn. Ich versuchte sie wieder ins Gespräch zu ziehen. »Vor ein paar Wochen sprachen wir darüber, dass es in Ihrer Familie heikel sein kann, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen. Wie hat Ihre Mutter -«
    »Indem sie keine hatte. Indem sie sich selbst in ein Nichts verwandelte.«
    »Ein Nichts«, sagte ich.
    »Genau. Deshalb war ich nicht überrascht, als ich herausfand, was sie getan hatte - mit Mate. Ich meine, ich war natürlich überrascht, als ich in den Nachrichten davon hörte. Aber als der Schock nachließ, habe ich begriffen, dass es einen Sinn ergab: die absolute Passivität.«
    »Also waren Sie nicht vorgewarnt -«
    »Nicht

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