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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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Schreibtisch und die Kassetten und Schallplatten, die sich um die kleine Stereoanlage stapelten, deuteten darauf hin, dass hier jemand wohnte.
    «Ich habe ein Geschenk für dich», sagte Zinser und reichte ihr einen rechteckigen Karton.
    Winter warf ihr einen skeptischen Blick zu, dann nahm sie das Geschenk auf ihren Schoß. Sie löste das Klebeband ganz langsam ab, statt das bunte Papier einfach so abzureißen. Vorsichtig klappte sie den Deckel des Pappkartons auf.
    Winter hätte fast aufgeschrien, als sie sah, was darin lag. Hastig warf sie den Deckel weg und nahm den schwarzen Kasten aus dem Karton. Mit beiden Händen löste sie die silbernen Verschlüsse und klappte den Kasten auf. Zinser spürte einen so tiefen Stich empathischer Freude, dass sie fast weinen musste.
    «Gefällt sie dir?», fragte Zinser und wischte sich die Augen.
    «Soll das ein Witz sein?», fragte Winter, als sie die kostbare Geige aus dem Kasten nahm. «Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe.» Sie strich mit den Fingern über die Saiten und am glatten Holz des Halses entlang. Schon wollte sie sich das Instrument unters Kinn klemmen, da stutzte sie. «Darf ich?»
    «Aber gern.»
    Winter nahm die Geige, dann den Bogen und fing an zu spielen. Unwillkürlich schloss Zinser die Augen und ließ die Musik auf sich wirken. Das Mädchen hatte noch keine Minute gespielt, und doch war Zinser außer Atem.
    «Du spielst wie ein wahres Genie.»
    «Also, ich weiß nicht …», sagte Winter und blickte verlegen zu Boden.
    «Doch, wirklich. Deshalb habe ich dir diese Geige gekauft.» Zinser schwieg einen Moment, bevor sie zum eigentlichen Thema kam. «Hast du schon mal von Arthur Schopenhauer gehört?»
    Winter schüttelte den Kopf.
    «Er war ein deutscher Philosoph im 19. Jahrhundert, der ein sehr interessantes Buch mit dem Titel Die Welt als Wille und Vorstellung geschrieben hat. Weißt du, Schopenhauer glaubte, die Wirklichkeit existiert in zweierlei Form: dem Willen, der unsere inneren Wünsche widerspiegelt, und der Vorstellung in Form von Ideen und Bildern, die außerhalb unseres Geistes existieren.»
    Winter nickte. Zinser merkte, dass die Kleine nicht recht wusste, worauf sie hinauswollte. Das Mädchen schien aber neugierig geworden zu sein.
    «Schopenhauer war kein besonders glücklicher Mensch», fuhr Zinser fort. «Für ihn bestand das Leben vor allem aus Leiden, und er glaubte, Erlösung sei nur zu erreichen, indem man versucht, der Dominanz des Willens zu entkommen.»
    «Wie im Buddhismus», sagte Winter strahlend. «Leiden lässt sich nur beenden, indem man der Begierde entsagt.»
    «Genau», sagte Zinser beeindruckt. «Schopenhauer glaubte, alles Leid entspringt dem Willen, weil unbefriedigte Wünsche in uns Sehnsucht hinterlassen. Ist ein Wunsch jedoch erst befriedigt, wird uns bald langweilig, bis etwas Neues an seine Stelle tritt.
    Er war überzeugt davon, dass man der Dominanz des Willens nur entgehen kann durch die Betrachtung eines Objekts, das einer ästhetischen Würdigung wert ist. Schopenhauer sagte, solche Objekte lösten einen speziellen Zustand geschärfter Wahrnehmung aus, durch den wir uns in dem Objekt verlieren, unsere Individualität vergessen und zum Spiegel dieses Objekts werden.»
    «Ein Spiegel?», fragte Winter.
    «Ja. Stell dir einen wunderschönen Baum an einem sonnigen Herbsttag vor. Indem man diesen Baum als ästhetisches Objekt betrachtet, nimmt man auch den Archetypus aller Bäume wahr. Durch ästhetische Wahrnehmung erfahren wir reine, willenlose Erkenntnis. Verstehst du?»
    «Ich glaube schon. Indem wir genauer wahrnehmen, verstehen wir besser.»
    «Ja», sagte Zinser. «Leider besitzen nur sehr wenige Leute die Fähigkeit, einen ästhetischen Geisteszustand länger als ein paar Sekunden aufrechtzuerhalten, und deshalb erlangen sie die transzendierende Ruhe nicht, die einem durch die ästhetische Wahrnehmung zuteil wird.»
    «Wie buddhistische Meditation.»
    Zinser nickte. «Allein das künstlerische Genie ist in der Lage, ästhetische Objekte herbeizuzaubern und Kunstwerke zu erschaffen, aus denen die darin enthaltenen, platonischen Ideen sprechen. Weißt du, was ich mit platonischen Ideen meine?»
    «Ist ‹platonisch› nicht, wenn man nur befreundet ist?»
    Zinser lächelte. «Ja, aber nicht in diesem Fall. Ich meine den griechischen Philosophen Platon. Platon glaubte, dass die Welt aus Universalien besteht, die im abstrakten Sinne, aber nicht als physische Objekte existieren.»
    Winter runzelte

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