Gnosis
zu stellen.»
«Wie viele Kandidaten haben Sie identifiziert?»
«Über dreihundert. Aber wir gehen davon aus, dass nicht einmal 3 Prozent davon Empathiker sind.»
«Dann können Sie die beiden also bald ersetzen.»
«Ich würde Jill gern so lange wie möglich behalten.»
«Der psychiatrische Bericht über das Mädchen war unmissverständlich. Sie wäre gefährlich, auch ohne ihre Gabe. Und Sie werden Laszlo nicht ewig an der kurzen Leine halten können. Sobald wir fünf Bereitwillige zusammenhaben, möchte ich, dass Laszlo und das Mädchen beseitigt werden.»
«Verstanden.»
KAPITEL 34
Die Luft war still, der Schulhof menschenleer. Nichts rührte sich – die Schaukeln sahen aus wie Skulpturen, der einsame Basketball lag reglos da, als klebte er am Asphalt. Selbst die Blätter an den Bäumen hielten still wie eine handgemalte Filmkulisse.
Wie ein Schrei zerriss die Pausenklingel die Ruhe und verstummte sofort wieder. Aber still war es nicht mehr. Zwar hörte man das Geschrei nur aus der Ferne, doch es klang so ungeduldig, dass klar war: Ein Sturm war im Anmarsch.
Plötzlich flogen die fünf Doppeltüren auf, und zweihundert Kinder im Alter zwischen sechs und elf stürmten kreischend aus dem Gebäude. Alle rannten, und nur durch ein Wunder wurde niemand niedergetrampelt (obwohl mehr als einer stolperte). Bereits eine Minute später platzte der Schulhof aus allen Nähten, und es wimmelte nur so vor Kindern.
Schaukeln schaukelten. Bälle wurden geworfen, gedribbelt und gefangen. Unzählige Füße traten den Rasen platt. Sogar der Wind kam zurück und schüttelte die Blätter, als wollte er sich mit der unglaublichen Energie dort am Boden messen.
Laszlo kauerte zwischen den Bäumen, bereit, seinen empathischen Geist zu öffnen. Da sie Kinder waren, machte er sich keine Sorgen, von stumpfem Hass oder pulsierender Geilheit überwältigt zu werden, wenn er sich auf sie einließ. Selbst das traurigste, verbittertste Kind hatte eine Leichtigkeit an sich, die mit den Empfindungen eines Erwachsenen nicht zu vergleichen war. Trotzdem musste er vorsichtig sein. Kindliche Gefühle waren groß und unverfälscht.
Laszlo verbannte seine physischen Empfindungen in eine dunkle Ecke und ließ seinen mentalen Schutzschild sinken. Trotz der intensiven Vorbereitungen tat er zwei wankende Schritte rückwärts, als die Emotionen wie eine Woge über ihn hinweggingen.
Fast hatte er vergessen, wie schön es war, ein Kind zu sein, wie erstaunlich einfach. Die Glücklichen waren in ihrer Freude vollkommen rein. Im Gegensatz zu den Erwachsenen, deren zahllose Sorgen unablässig an der Psyche nagten, waren Kinder so wunderbar unkompliziert. Saubere, natürliche Düfte – Herbstlaub und frischer Schnee.
Doch es war ein zweischneidiges Schwert. Unglückliche Kinder waren unvergleichlich unglücklich. Ihre Einsamkeit, ihre Hoffnungslosigkeit waren atemberaubend, und Laszlo stieg der Gestank von Terpentin und faulen Eiern in die Nase.
Neben diesen Extremen gab es ein breites Spektrum weiterer ebenso absoluter Gemütszustände: Schmerz – der Geruch von verschüttetem Benzin; Verwirrung – eine Mischung aus Honigsüße und verfaultem Fleisch; Wut – salzige Luft an einem windigen Tag. All diese Gerüche bedrängten Laszlo und vermengten sich mit unzähligen Gefühlen und Aromen.
Langsam jedoch bildeten sich Unterschiede heraus. Der ohrenbetäubende Lärm in seinem Kopf ließ sich in verschiedene Stimmen unterteilen. Nach und nach analysierte Laszlo die unterschiedlichen Ichs und ließ wieder von ihnen ab, ging den ganzen Heuhaufen durch, auf der Suche nach …
Und da war sie! Seine Stecknadel.
Charlie Hammond.
«Okay, alle mal herhören!»
Die Kinder alberten weiter herum. Keiner hatte Respekt vor Vertretungslehrern. Besonders nicht im Sportunterricht. Der kahle Mann nahm seine Trillerpfeife in den Mund und blies hinein. Der Pfiff war schneidend, so laut, dass Charlie schon dachte, er käme aus seinem eigenen Schädel.
«Schon besser», sagte der Vertretungslehrer lächelnd. «Wie ihr wisst, ist Mr. Griffin krank. Also werde ich diese Woche bei euch Sport unterrichten. Mein Name ist Mr. Kuehl.»
Er ließ einen Volleyball auf dem Holzfußboden hüpfen, indem er ihn nur mit Knien und Füßen in Bewegung hielt. Nach fünfzehn Sekunden etwa – lange genug, um sich den Respekt der Könner zu erwerben – fing er den Ball aus der Luft.
«Also, wer will Prellball spielen?»
Die größeren Kinder jubelten, die
Weitere Kostenlose Bücher